Chilly Gonzales: Viel Geschmack ohne Süßstoff

Coole Rettung in dieser trüben Zeit: Das Album "A Very Chilly Christmas" von Chilly Gonzales.
Adrian Prechtel
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Chilly Gonzales im gewohnt edlen Morgenmantel zwischen barocken Theaterschaukästen wird hier selbst zur Weihnachtsdeko.
Chilly Gonzales im gewohnt edlen Morgenmantel zwischen barocken Theaterschaukästen wird hier selbst zur Weihnachtsdeko. © Anka

München - Es gibt Weihnachtslieder, denen keine Verkitschung etwas anhaben kann. Sie perlt an ihnen ab wie Zuckerregen von einem Betlehemer Schafspelz. Und am Ende rühren diese Lieder uns immer wieder.

Was aber Gonzales jetzt aus einem berühmten Salzburger D-Dur-Jodler macht, ist kunstvolle Klasse: Er softet das gesamte, ursprünglich in D-Dur stehende Stück nach Moll ab, in diesem Fall d-moll. Dann trübt sich über - zum Teil gewagte Zwischenepisoden - das Lied sanft melancholisch weiter nach f-moll ein, was er durch den verunklarenden Beginn in F-Dur schon vorbereitet hatte.

Das Intro erweckt neugierige Freude 

Wem das zu kompliziert klingt, dem sei gesagt: "Stille Nacht, heilige Nacht" ist in der kurzen Version von Chilly Gonzales vollkommen kitschfrei, kunstvoll cool am Klavier umgestaltet, niemals traurig intoniert und durch Cello ergänzt.

Der wahldeutsche Kanadier beginnt sein neues Album "A Very Chilly Christmas" gewagterweise genau mit diesem längst globalen, 202 Jahre alten Weihnachtsklassiker und schafft so ein Intro, das einen mit neugieriger Freude weiterhören lässt.

Spinett und Cello umspielen begleitend "Last Christmas"

Gonzales bleibt über das ganze Album in einem nie hastigen, aber auch niemals getragenen Tempo, und so geht es hurtig weiter - Piano solo - durch angelsächsische, traditionelle Songs, bis die nächste Kitschfalle umschifft wird: George Michaels "Last Christmas" wird so zart, perlend, rein angespielt, dass die Melodie pur wie Schneeflocken auf uns herunterstäubt.

Erst dann schiebt Gonzales noch weitere musikalische Ebenen dazu: Spinett und wieder das Cello, das begleitend den Ohrwurm umspielt. Dann machen sich beide Instrumente frei und befreien das Stück weiterhin von Sentimentalität.

Chilly Gonzales: Nichts ausgewalzt, alles kurz und spielerisch

"Jingle Bells" ist natürlich eine weitere geliebte Klassiker-Katastophe, die im Gegensatz zu vielen anderen Weihnachtsevergreens aber von vornherein etwas amerikanischen Schlitten-Fortschritts-Drive hat. Aber auch hier ist der Song jetzt in Moll getaucht, dabei weiterhin verspielt, auch weil Gonzales nach einer musikalischen Brücke "Santa Claus Is Coming to Town" untermischt. Überhaupt ist "A Very Chilly Christmas" eine musikalisch intelligente, schnelle Fingerübung. Nichts ist ausgewalzt, alles kurz und spielerisch.

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Gonzales bietet zwei Gäste auf dem Album auf. Wenn die fragile Mädchenstimme von Feist "The Banister Bough" mitgestaltet, kommt romantisches Jazzsong-Gefühl auf.

Gibt es also überhaupt eine Schattenseite auf diesem Weihnachtswerk? Vielleicht den etwas manierierten Bass-Sprechgesang von Jarvis Cocker (Ex-Frontmann der band Pulp) im einzigen von ihm allein gesungenen "In The Bleak Midwinter" oder zusammen mit Feist "Snow Is Falling in Manhattan".

Weihnachtsgefühle neu transportiert

Dass Gonzales aber generell einen stilsicheren Geschmack hat, zeigt sich im profanen "Oh Tannenbaum", der lässig mit einem Honkytonk-Bluesvorspiel daherkommt, aber dabei nicht albern dasteht. Das Kontrastprogramm ist dann das innige, althergebrachte "Maria durch ein Dornwald ging", vor dem Gonzales größten Respekt beweist, weil er dem Lied liebevoll, charmant, aber eben nicht vordergründig witzig begegnet. Was wieder den Bogen schlägt zu einem Schluss-Medley alter englischer Weihnachtslieder.

Weihnachten ist halt eine globale, universelle Gefühlslage, und Gonzales garantiert hier, dass sich daran auch Sentimentalitätsallergiker freuen können. Und wer Weihnachtsgefühle liebt, bekommt sie hier noch einmal neu transportiert. Dass das alles ein wunderbarer Wurf ist, haben viele Fans blitzartig erfasst, so dass die CD und LP schon nach kürzester Zeit ausverkauft war. Hilft nur: runterladen.


Chilly Gonzales: "A Very Chilly Christmas" - chillygonzales.com

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