Livestream aus dem Nationaltheater: Festlicher Grimm

Vladimir Jurowski mit dem Chor und dem Orchester der Bayerischen Staatsoper im weihnachtlichen Livestream aus dem Nationaltheater.
Robert Braunmüller
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Vladimir Jurowski mit Jonas Kaufmann.
Vladimir Jurowski mit Jonas Kaufmann. © Wilfried Hösl

München - Bayerische Generalmusikdirektoren dirigieren den "Ring des Nibelungen", Mozarts "Zauberflöte" oder den "Rosenkavalier". Die Musik von Johann Sebastian Bach gehört nicht unbedingt zur Jobbeschreibung des Musikchef der Staatsoper. Dafür gibt es andere Dirigenten in unserer großen Stadt.

Geplanter Bach-Livestream entfällt

Aber ein Virus wirbelt alles durcheinander. Vladimir Jurowski, der im Herbst die Nachfolge von Kirill Petrenko antreten wird, gelang mit dem Chor der Bayerischen Staatsoper und dem Bayerischen Staatsorchester die einzige Münchner Aufführung des "Weihnachtsoratoriums" in diesem Jahr, wenn auch nur als Livestream und einem Sechstel des Gesamtwerks: der ersten und bekanntesten Kantate, die mit dem Chor "Jauchzet, frohlocket" beginnt.

Auch die Münchner Philharmoniker und der Philharmonische Chor hatten unter Philippe Herreweghe kurzfristig noch einen Bach-Stream geplant, der nun aber der politisch gewünschten Betriebsschließung vor Weihnachten zum Opfer fiel.

Jonas Kaufmann: Sein Timbre wirkt hier manieriert 

Jurowski und seine Mitstreiter entschlossen sich zu einem historisch informierten Stil mit dosiertem Vibrato und gut in den Gesamtklang integriertem Trompetengeschmetter. Der Chor sang in kleiner Besetzung, Liebhaber von Massen mögen dies überlesen: Es sorgte für eine lichte, freudige, geradezu weihnachtliche Transparenz und fügt sich bestens zum Rest. Nur das nicht ganz perfekte Deutsch der sehr ansprechend singenden Solisten aus dem Opernstudio störte ein wenig.

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Vor der Kantate sang Jonas Kaufmann - als Kostprobe aus seiner CD - drei Weihnachtslieder. Und so sehr einem das umstrittene, herb-baritonale Timbre des Münchners bei Opernpartien aller Art gefallen kann: Hier wirkt es manieriert. Diese Musik muss mit natürlicher Schlichtheit vorgetragen werden und nicht als kammersängerhafte Arie. Aber das mag im Advent nur Musikkritiker stören.

Das Orchester betont die harschen Kontraste

Eröffnet wurde das Benefizkonzert der BMW-Niederlassung München zugunsten von benachteiligten Kindern und Jugendlichen mit einer schön gespielten, die Balance zwischen Nüchternheit und Natürlichkeit haltenden Aufführung des Weihnachtskonzerts von Archangelo Corelli und einem munteren, von Johannes Moritz mit festlichem Schwung gespieltem Trompetenkonzert von Giuseppe Torelli.

Weil allzu viel Nettigkeit und Harmonie der Kunst schaden, dirigierte Jurowski dazwischen noch Mozarts "kleine" Symphonie in g-moll, ein vor allem im ersten Satz schmerzlich düster-grimmiges Werk des Sturm und Drang. Das Orchester betonte die harschen Kontraste, die nicht einmal im Menuett und im Finale aufgelöst werden. Das passt vielleicht nicht zu Weihnachten, aber in unsere Gegenwart, wie die immer etwas gespenstische Stimmung dieser Konzerte, in denen das Klappern der Musiker mit ihren Geigenbögen den Applaus des abwesenden Publikums ersetzt.


Die Montagskonzerte werden während des Lockdowns ausgesetzt, staatsoper.tv zeigt während dieser Zeit Aufzeichnungen. Am 4. Januar 2021 ist um 20.15 Uhr der neue dreiteilige Ballettabend "Paradigma" des Staatsballetts zu sehen.

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1 Kommentar
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  • am 15.12.2020 22:08 Uhr / Bewertung:

    Es ist ein echter Jammer, dass Musikkritiker sich als Krittler verstehen, anstatt als Berichterstatter und Kommentatoren.
    Die drei weihnachtlichen Lieder, die Jonas Kaufmann gesungen hat, kamen eben nicht im volkstümlichen, schlichten Kleid daher, sondern in kunstvollen, den intimen Charakter sprengenden Orchester-Arrangements.
    Dies zu erkennen, darf von einem, der sich - und auch noch für ein Honorar- dazu berufen fühlt, sich öffentlich zu äußern, vom Leser erwartet werden.
    Leider scheinen diese Qualitäts-Erwartungen zu hoch zu sein.........

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