Chaya Czernowin: Entchen im Malstrom

Das Münchener Kammerorchester porträtiert Chaya Czernowin in der Pinakothek der Moderne.
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Es ist ein Vorurteil, dass Konzerte mit Neuer Musik niemanden interessieren würden: Die gut besuchte Rotunde der Pinakothek der Moderne bei der Nachmusik mit Werken der Komponistin Chaya Czernowin.
Es ist ein Vorurteil, dass Konzerte mit Neuer Musik niemanden interessieren würden: Die gut besuchte Rotunde der Pinakothek der Moderne bei der Nachmusik mit Werken der Komponistin Chaya Czernowin. © Florian Ganslmeier

München - Eine prägnante Figur wird erst von der Bratsche gespielt, dann wandert sie durch die übrigen Instrumente des Streichquartetts. Später ballt sich der Klang schroff, ehe die Anfangsfigur wiederkehrt. Ein zweites Streichquartett des Münchener Kammerorchesters spielt kreisende Figuren, als würden Quietsch-Entchen vom Malstrom verschluckt. Zuletzt finden sich beide Quartette zu einem Oktett zusammen: Die beiden Stücke erklingen gleichzeitig, aus grüblerischen Monologen entsteht ein frappierender Dialog.

Chaya Czernowin: schroffe Gegensätze und Grenzüberschreitungen zum Geräusch

Das dreiteilige Stück "Anea Cristal" bildete den Rahmen eines so gut wie ausverkauften Nachtkonzerts mit Werken von Chaya Czernowin in der Rotunde der Pinakothek der Moderne. Ihr Musiktheater "Pnima... ins Innere" gehört zu Uraufführungen der Münchener Biennale, die nachhaltig im Gedächtnis haften geblieben sind. Trotzdem war die 1957 in Haifa geborene Komponistin danach hier wenig präsent. Das wird nun als Doppelschlag nachgeholt: Im März folgt auf die Nachtmusik die Erstaufführung eines Auftragswerks der musica viva für Sopran, Bariton und Orchester im Herkulessaal der Residenz.

Bas Wiegers, einer der drei Associated Conductors des Münchener Kammerorchesters im Gespräch mit Chaya Czernowin.
Bas Wiegers, einer der drei Associated Conductors des Münchener Kammerorchesters im Gespräch mit Chaya Czernowin. © Florian Ganslmeier

Czernowins Musik lebt von schroffen Gegensätzen und Grenzüberschreitungen zum Geräusch. Aber sie bleibt dabei verbindlich. Die drei sehr prägnanten, kurz gefassten Sätze des Oktetts können als beispielhaft gelten: Czernowin kommt ohne größere Abschweifungen auf den Punkt. Wiederkehrende Strukturen gliedern den Ablauf, der stets, wenn es zu erwartbar werden könnte, in eine überraschende Gegenrichtung abbiegt.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Das gilt bereits für das älteste Stück, von Bas Wiegers dirigierte Stück des Abends: "Das Stundenglas rinnt noch" für Streichorchester. Da wandert eine von den Celli bereits in gepresst hoher Lage gespielte Figur weiter aufwärts, um beinahe zu entschwinden. Das sich anschließende Nachspiel weitet sich zu einem eigenen Satz mit flirrenden Figuren.

Die Rotunde war nahezu ausverkauft

Neben Werken für Streicher trat gegen Ende des Programms ein Sextett mit Bläsern auf. Die Flötistin und der Klarinettist ließen die Klappen rauschen, die Pianistin dämpfte mit einem Kissen den Klang des Instruments, ohne dass der musikalische Ernst in eine unfreiwillige Komik der Requisiten umgeschlagen wäre. Der anfangs schweifende Klang verdichtete sich, um sich nach einer konfliktträchtigen Passage bald in Richtung Unhörbarkeit aufzulösen.

Chaya Czernowins Musik hat ihre unbestreitbaren Vorzüge: Bei allem Ernst meidet sie den derzeit gängigen Hang zur Langsamkeit. Es gibt keinen Leerlauf, Wiederholungen geben dem Publikum etwas, woran es sich auch beim ersten Hören halten kann. Angesichts dieser Vorzüge ist es bedauerlich, dass diese Komponistin in München ein wenig vergessen wurde. Auch das Publikum scheint sie vermisst zu haben: Die Rotunde war in Zeiten, in denen oft über schwachen Andrang geklagt wird, nahezu ausverkauft.

Die nächste Nachtmusik der Moderne widmet sich am 22. April dem Komponisten und Gitarristen Bryce Dessner. Chaya Czernowins "Atara" ist am 17. März im Herkulessaal zu hören

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.