AZ-Kritik zum Roy Bianco & die Abbrunzati Boys-Konzert in München: Es stimmte nicht alles
München – Es fühlte sich im Tollwood-Zelt an wie in der alten Isetta auf dem Weg nach Rimini. Eng, heiß und stickig. Der Lohn für die Strapazen? Es lockte, wie früher, die Aussicht auf Urlaub in Italien. Beim Roy Bianco & die Abbrunzati Boys-Konzert gab es Italo-Schlager zum Dahinträumen. Ein wenig "Vino Rosso" hier, etwas "Amore Sul Mare" da. Vergessen waren die Strapazen im Zelt und damals auf der "Brennerautobahn". Mit diesem Song eröffneten die Jungs ihr ausverkauftes Doppel-Konzert.
Doch was steckt wirklich hinter der sonnengebräunten Fassade? Eine jahrzehntelange Bandgeschichte oder zwei Jungs mit Schlagerpersiflage? Die AZ aus Monaco di Baviera war dabei.
Roy Bianco in München: Mamma Mia!
Bevor der Synthie-Gitarren-Popschlager von "Cosenza bei Nacht" oder "Maranello" erzählte, musste zunächst geklärt werden, wer denn diese neue Urlaubsbegleitung war. Die Band, das sind nur zwei Personen. Einer heißt Roy Bianco. Er hantierte mit dem Mikrofon, edel und galant, wie der Lieblings-Kellner beim Italiener um die Ecke.
Der andere nennt sich Die Abruzzati Boys und brachte mit seiner Gitarre den 80er-Jahre-Sound oder Akustik-Klänge bei "Baci" dazu. Der zu erwartende Plural wurde von Mitgliedern der Showband aufgefüllt. Sie tragen klingende Namen wie Ralph Rubin, Eisensepp, Bungo Jonas oder Blechkofler. Die Musiker spielten beim Roy Bianco Konzert nicht nur einfach den Stiefel herunter, sondern holten mit Trompeten und Synthesizer die Italo-Zeit mit der Extraportion Funk ins Zelt. Mamma ;ia! Klingt alles verwirrend? Es wird noch wilder.

Italo-Schlager beim Konzert von Roy Bianco & die Abbrunzati Boys
"Wir blicken zurück auf eine 41-jährige Bandgeschichte", sagen die Jungs mit vollem Ernst in jedem Interview. Ihre vorgetragene Geschichte geht so: Kennengelernt Silvester 1981 in Sirmione am Gardasee. 1984 der Auftritt beim Schlagerfestival in Rio. 1997 die tränenreiche Trennung. 2016 das gefeierte Comeback. Weihnachten 2018 der Tour-Stopp im Cord Club in München. Jetzt das Doppel-Konzert auf dem Tollwood als Karriere-Highlight. Capice?
Deutsche Vita statt Dolce Vita bei Roy Bianco?
Angeblich waren Zuhörer im Tollwood-Zelt, die ernsthaft glaubten, dass die Band aus Augsburg und München stammt, eigentlich Indie-Musiker sind und während der Coronazeit mit der größten und erfolgreichsten Schlagerpersiflage Deutschlands starteten – also Deutsche Vita statt Dolce Vita? Wo auch immer die Wahrheit liegt. Am Ende ging es nur um das Eine. Die Sehnsucht nach dem Süden.
Und jetzt mal alle Blödelei zur Seite. Irgendwann packte dieser Sound alle im Zelt. Denn es wurde kein Trash-Talk oder Lästereien über Italien abgezogen. Hier steckte viel Liebe im Detail und das Genre bekam so einen ungewöhnlichen, aber ansehnlichen Rahmen. Hier wurde nicht parodiert, sondern zelebriert. Das Schlagzeug stand auf einer Nachbildung der besungenen "Ponte Rialto". Den Rand der Bühne schmückten kleine italienische Häuser und die Anzüge der Musiker waren italienische Maßanfertigung – bestimmt.
Roy Bianco-Fans beim Schlager-Strudel im Tollwood Zelt
Besucher, die mit Italien-Schals oder Fußballtrikots aus dem Süden aufs Tollwood pilgern, können nur die Ragazzi vorweisen. Vor dem Zelt trockneten die Fans ihre schweißnassen Shirts in der Abluft der Klimaanlage. Wer sich drinnen an der Bar wiederfand und plötzlich mit bestem Italienisch einen Aperol Spritz bestellte, tauchte damit beim größten Hit "Bella Napoli" im Schlager-Strudel unter. Eine Art abgeschwächter Circle Pit. "Unterhaltung mit Haltung", riefen die Jungs in die Menge. Sie stehen ausdrücklich gegen Homophobie und Rassismus ein. Denn das ist wirklich echt und wichtig.
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