Auftakt mit "Herzog Blaubarts Burg" im Gasteig
MÜNCHEN - Er, dessen Grausamkeit milder wird, der dann gar von Tränen spricht, hat am Schluss den Kopf nach oben gerichtet, in den Himmel oder in eine offene Zukunft. Sie hingegen, die am Anfang ängstlich war, aber zunehmend selbstsicherer wurde, schließlich geradezu kokett, hat nun den Kopf gesenkt: Ihre Zukunft als Haremsdame ist besiegelt.
Einfacher und dabei treffender hätte man die vielfältigen Entwicklungen von Béla Bartóks Opern-Einakter „Herzog Blaubarts Burg“ kaum zusammenfassen können als in dieser Geste. Selten wird ein Psychodrama ohne Inszenierung so bildhaft nachvollziehbar.
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Den Protagonisten, Petra Lang als Judith und Gidon Saks als Blaubart, merkt man in jeder Sekunde an, dass sie intensive Bühnenerfahrungen mit ihren Figuren gemacht haben. Sie loten nicht nur sämtliche Nuancen dieser Rollen zwischen Sprechgesang und melodiösem Expressivo, zwischen Alptraum und Ekstase, aus, sie sind dazu noch herausragende Schauspieler. Petra Lang reagiert mit ihrem tapferen, ja, heroinnenhaften Sopran offen auf die Geheimnisse des Ritters, Gidon Saks wirkt mit seiner steinernen Haltung und seinem düsteren, rauen Bassbariton wie die Verkörperung dieses Schlosses selbst.
Obwohl das Orchester Concerto Budapest unter der Leitung András Kellers eine stimmungsvolle Atmosphäre schafft, führen hier primär die Sängerschauspieler durch das beklemmende Stück. Keller, der Gründer und Primarius des gleichnamigen Streichquartetts, ist hörbar mit Bartóks Musik vertraut, er geht sogar so weit, etwas eigenmächtig Atemgeräusche der Bläser einzubauen, um das Seufzen und Stöhnen zu illustrieren, das in den alten Gemäuern umgeht.
Bartók zum Bier?
Das mit exzellenten jungen Musikern besetzte Concerto Budapest kann mit der Gestik seines Chefdirigenten viel anfangen, doch Keller ist kein ausgebildeter Dirigent: Wirklich eng kann er den Sängern nicht folgen, manche ungelenke Nahtstelle ist nicht zu überhören, wiewohl die symphonischen Zwischenspiele, in denen geschildert wird, was hinter den sieben Türen wartet, sehr suggestiv geraten sind.
Warum nicht auch der erste Teil mit Bartók bestritten wurde, etwa mit dem selten gehörten Ballett „Der holzgeschnitzte Prinz“, erschließt sich nicht. Eine allzu pauschal gespielte Symphonie Nr. 1 von Ludwig van Beethoven hinterlässt einen nichtssagenden Eindruck, in Franz Liszts Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur bleibt es dem Pianisten Dénes Várjon vorbehalten, mit seinem wirkungsvollen Marcato die eigentlichen Akzente zu setzen.
Alles in allem erlebt das internationale Festival „Bartók for Europe“, das künftig jährlich in anderen europäischen Städten ausgetragen werden soll, einen holprigen Start, zumal die Sitzplätze der Philharmonie nicht einmal halb gefüllt sind.
So sehr man Bartók auch hierzulande schätzt: Es war keine gute Idee, eine so große Sache ausgerechnet im München der Wies’n-Zeit zu beginnen.
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