Anarchie ist machbar, Herr Nachbar!
Der Bayer ist ein Anarchist, der sich immer wieder einen starken Anarchen wünscht. Sein idealer Beruf ist deshalb der des Orchestermusikers. Der Konzertbesucher bekommt von den beiden Seelen natürlich nur die uniformierte im Frack unter der Fuchtel eines Maestros mit, weshalb es geboten scheint, gelegentlich die barfüßig-wilde Seite vorzuzeigen, wie es die Münchner Philharmoniker am Sonntag unternahmen.
Das Orchester der Stadt beschäftigt sich neuerdings stärker mit seinen bayerischen Wurzeln, wie Auftritte im Hofbräuhaus und eine Marsch-CD beweisen. Natürlich sind die Philharmoniker wie jedes Orchester eine multikulturelle Gesellschaft – wie Bayern. Und wie dorten gibt’s auch letzte Eingeborene, die in Andreas Martin Hofmeirs Kabarett-Konzert „Lackschuh und Barfuß“ in Erscheinung traten.
Während sich die Philharmoniker am Podium für Prokofjews „Romeo und Julia“ einspielten, ratschte der LaBrassBanda-Tubist mit dem im Rosenheimer Umland verwurzelten Hornisten Alois Schlemer und dem Orchesterwart Benno Guggenbichler im videobeobachteten Hinterzimmer. Da unsereiner auch zwangsläufig Einblicke in das Treiben hinter der Bühne kriegt, bezeuge ich gern: Jeder Satz, der da beim Erhitzen von Würsten und der Reparatur eines Horns mit einem Pariser gesprochen wurde, kommt aus dem richtigen Leben. Und zwar nicht nur fast.
Nix für Preißn!
Die im Gasteig anwesenden Altbayern dürften zwei Drittel des Gesprochenen verstanden haben, Preißn wegen des grenzwertigen Sounds höchstens die Hälfte. Ein Norddeutscher trat auch auf: der Cellist und Techno-Experte David Hausdorf, dem Guggenbichler und Schlemer per Smartphone bewiesen, dass ein Lanz-Bulldog (vulgo: Traktor) schönere Bässe wummert.
Als adoptierter Bayer wirkte der markante kroatische Orchesterwart und Ferienwohnungvermieter Ivan Zelic mit. Nach der Pause gab’s den Prokofjew ungestört und das mittel-amüsante Tubakonzert von Jörg Duda dazu. Der Dirigent Pietrai Inkinen setzte sich beim Applaus bescheiden unter die zweiten Geigen – er war die unwichtigste Person des Abends. Hofmeir machte noch ein bisschen Reklame für seine CD, der ich mich hier unter dem Strich anschließe.
Es war eine Gaudi, wenn auch mehr für Insider. Bei der Wiederholung des Abends im Februar 2015 sollten die Philharmoniker jedem Besucher unbedingt ein Brotzeitkörberl mit einer Flasche Augustiner unter den Sitz stellen. Eine gewisse Straffung des Abends würde allerdings den Anarchismus beschädigen, wovon hier dringendst abgeraten werden muss! #
Hofmeirs CD „On the Way“ mit den Philharmonikern bei Sony