Leises Servus: Karin Sachs schließt ihre Galerie
Das Licht leuchtet immer noch einladend auf die Augustenstraße hinaus. An den Wänden lehnen vereinzelte Bilder. Rätselhafte Polderlandschaften von Joost Colpaert und Samuel Rachls schnelle Gedanken. Karin Sachs ist am Räumen, über die Zeit hat sich doch einiges angesammelt. Gemälde und Grafik natürlich, jede Menge Schriftkram, vor allem aber Erinnerungen. Nach so vielen Jahren als Galeristin - 38 sind es genau - fällt es schwer, einen Schlussstrich zu ziehen.
Aus dem Zweifel entsteht am Ende auch Qualität
Alles andere wäre aber auch komisch. Denn für Karin Sachs hatte sich mit der Galerie ein Traum erfüllt: 1986 noch an der Buttermelcherstraße im Gärtnerplatzviertel. Und nach ein paar Umwegen. Denn erst spät hat die gelernte Innenarchitektin aus dem Taunus die Kurve bekommen. Da waren die zwei kleinen Kinder, Familie und Studium zu kombinieren, haben eh schon viel Energie erfordert. Karin Sachs wurde allerdings schnell klar, dass sie keine Lust hatte, im Möbelgeschäft zu arbeiten oder Wohnungen und Häuser chic durchzustylen.
Wie ferngesteuert sei sie plötzlich in Museen und Galerien gegangen, Kunst zog sie magisch an, und sie habe alles aufgesaugt wie ein Schwamm, erklärt Karin Sachs. Eine eigene Galerie war im Grunde nur eine Frage der Zeit - und der Überwindung ihrer Zweifel. Nicht zuletzt als Quereinsteigerin. Dass sie bis heute lieber drei-, viermal hinschaut, sich mit ihren Künstlerinnen und Künstlern genau bespricht, gemeinsam die Werke auswählt, sieht und spürt man.
Engagement für Frauen
Nie war in ihrer Galerie etwas auf Überwältigung angelegt, und ja, man muss sich auch einsehen, einfühlen, offen sein für das Ungewöhnliche und - das ist am schwierigsten - das Stille. Ob das nun die feinsinnigen Zeichnungen und Installationen der Exil-Iranerin Parastou Forouhar sind, mit der sich über die Jahre ein besonders inniges Verhältnis entwickelt hat, oder die eingeschnittenen Papierschichtungen der Israelin Daphna Weinstein. Ob Stijn Jonckheeres monochrome, dynamische Grafik paralleler Welten oder die konstruierten Erinnerungen von Andrea Imwiehe.
Überhaupt Frauen. Karin Sachs hat sie lange ausgestellt und gefördert, bevor das angesagt war. Genauso engagiert sie sich für Künstlerinnen, die eine gewisse Nähe zur Graphic Novel pflegen. Und Karin Sachs hat nie mit dem Digitalen gefremdelt. Bereits 1993 realisierte sie an der Lothringer Straße eine Schau für das Kulturreferat. "Zu dieser Zeit fingen schon einige Künstlerinnen und Künstler an, den Computer für sich als Werkzeug zu entdecken", erzählt sie, "das hat mich sehr fasziniert". Und die Anwahl von damals ist heute berühmt. Ob Thomas Bayerle, Rosemarie Trockel, das herrlich abgefahrene, leider aufgelöste Kollektiv General Idea oder Peter Kogler.
"KI und Kunst? Mich interessiert, was draus wird"
Eigentlich schade, dass Karin Sachs gerade jetzt aufhört, wo es mit der Künstlichen Intelligenz und der Digitalität erst so richtig losgeht. "Mich würde schon interessieren, was draus wird", sagt sie. Aber der Entschluss ist gefallen, und so ein bisschen langweilt sie sich mit der zeitgenössischen Kunst auch. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass kaum noch etwas zu entdecken sei, das sie nicht in irgendeiner Form schon einmal gesehen habe.
Die eigene Erfahrung kann man zwischendurch zwar mit viel gutem Willen ignorieren. Auf der anderen Seite lässt sich Karin Sachs auch nichts vormachen. Und wenn sie etwas überzeugt, beginnen die blauen Augen zu flackern. Immer noch. In Münchens Galeristenszene wird sie fehlen.
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