Ausstellung "Alga" in München: Faszinierende Doppelnatur
München - Giftige Blaualgen in bayrischen Weihern, Grünalgenpest in der Bretagne und Algenschleim im Marmarameer - der Badesommer 2021 war nicht idyllisch.
Die massenhafte Algenvermehrung ist ein Indikator für kippende Öko-Systeme: zu viel Nitrat, zu warm, zu wenig Sauerstoff. Dabei sind die Wasserorganismen eigentlich nützliche, faszinierende Lebewesen, teils Bakterium, teils Pflanze. Der dänische Konzept-Künstler Tue Greenfort (geboren 1973) widmet sich mit seiner Ausstellung "Alga" in den Räumen der Eres-Stiftung dem geheimen Leben der Algen.
Dafür haben er und seine Mitstreiter unter anderem Algen aus hiesigen Seen und Flüssen gefiltert: Die runden Papier-Tondi mit dem getrockneten Filtrat offenbaren, dass der Tegernsee ziemlich sandig ist, die Amper einigermaßen viel schwarze Erde mit sich führt, und die Algen im Wörthsee auch trocken noch fast knallgrün sind.
Tue Greenfort: Erinnerungen an britische Botanikerin Anna Atkins
Mal eklig - und mal lecker: Manche Algenarten gelten als Superfood, ebenso gesund wie leicht anzubauen. Großalgen werden durch Trocknung haltbar gemacht, Mikroalgen dienen als Grundstoff für Nahrungsergänzungsmittel, etwa die Süßwasseralge Chlorella und Salzwasser-Kieselalgen.
Dass die Menschen in Japan weltweit am ältesten werden, hat auch mit den Essgewohnheiten zu tun - viel Fisch und Seetang. Mit seiner großformatigen Cyanotypie einer Seetang-Staude erinnert Tue Greenfort an die britische Botanikerin Anna Atkins, die im 19. Jahrhundert mit diesem Verfahren arbeitete.
"Ulva", eine raumhohe Installation aus unterschiedlich grünem Glas, ist von der Formation eines Salzwassergewächses namens Meeressalat inspiriert. Und auch der Kronenqualle "Periphylla" setzt der Künstler ein gläsernes Denkmal. Ihre Population hat sich weltweit bedrohlich vermehrt; einerseits aufgrund steigender Meerestemperatur, andererseits weil die Fressfeinde durch Überfischung und Wasserverschmutzung stark dezimiert sind.
Ausstellung "Alga" in der Eres-Stiftung: Bringen Sie Wasserproben mit!
Dass Seegras sogar lärmempfindlich ist, kann man hier ebenfalls beiläufig erfahren. Vielfalt und Ästhetik der Unterwasserwelt sind betörend - und vom Aussterben bedroht. Grund dafür ist nicht zuletzt der Harnstoff Urea, der seit den 1960er Jahren weltweit und massenhaft als Kunstdünger eingesetzt wird. In seiner gleichnamigen Werkserie von C-Prints fokussiert der Künstler verschiedene Kristallisationsformen von Urea.
Wer mag, darf darüber hinaus eigene Wasserproben mitbringen, die man hier unterm Mikroskop untersuchen kann. Und spätestens, wenn da in der Vergrößerung filigrane Binnenstrukturen und kreuchende Mikroben aus dem Nichts auftauchen, staunt man über die Omnipräsenz von Algen wie ein Kleinkind über den Käfer in der Becherlupe.
Bis 29. Januar 2022, Eres-Stiftung (Römerstraße 15), Sa 11 - 18 Uhr und nach Vereinbarung unter 089/38879079