"The Batman": Willkommen in der Wirklichkeit
Es ist Halloween in Gotham City. Verkleidet sind hier viele. Auch die Verbrecher. Eine Gruppe weißgeschminkter Rowdies drangsaliert in der U-Bahn einen verängstigten asiatischen Geschäftsmann. Er soll verprügelt werden. Einfach so. Als Mutprobe.
Doch dann, als das Opfer bereits eingekesselt ist, löst sich aus dem Schatten der Haltestelle ein als Fledermaus maskierter Mann. "Wer zum Teufel bist du denn?", pöbelt der Anführer der Halbstarken los. Die Antwort des Schattenmanns folgt prompt: in Form von harten Schlägen. Am Ende der schmerzhaften Keilerei schiebt er noch grummelnd ein: "Ich bin Vergeltung!"
"The Batman": Eine verblüffend stimmige Wiedergeburt
Dem Zuschauer muss dieser dunkle Ritter nicht näher vorgestellt werden. Denn die Comic-Figur Batman jagt bereits seit über 50 Jahren im Kino Kriminelle. Und auch die Liste der Darsteller, von Adam West, Michael Keaton, Val Kilmer, George Clooney, Christian Bale bis zuletzt Ben Affleck kann sich sehen lassen. Warum also, gerade nach Christopher Nolans künstlerisch wie kommerziell überzeugender "Dark Knight"-Trilogie muss dieser Superheld ein weiteres Mal wiedergeboren werden?
Auf diese nicht unberechtigte Frage findet Matt Reeves, Regisseur von "The Batman", eine verblüffend stimmige Antwort. Radikal entschlackt der Macher der letzten "Planet der Affen"-Filme die DC-Comic-Reihe von allem Superhelden-Firlefanz, quasi als Gegenmodell zu den künstlich überhöhten Marvel-Filmen, mit dem Ziel, die Figur so greifbar zu machen wie nie zuvor. Diese Verankerung in der Realität, die so trist ist wie unser Hier und Jetzt, geht auch mit einem Genrewechsel einher. Weg vom stilisierten Actionkino, hin zum Film Noir, zum klassischen Detektivfilm.
Atmosphärisch orientiert sich Reeves stark an David Finchers apokalyptischen Thriller "Sieben". Auch hier regnet es in Strömen, ermitteln zwei übernächtigte Detectives im Moloch einer korrupten Großstadt. Angetrieben nur noch von der Sehnsucht, den sadistischen Serienkiller endlich zu fassen.
Colin Farrell als The Penguin im Fatsuit nicht wiederzuerkennen
In "The Batman" ist es Edward Nashton alias der Riddler (Paul Dano), der allen einen Schritt voraus zu sein scheint und sogar den Bürgermeister der Stadt auf dem Gewissen hat. Beseelt ist der mit einer Ledermaske und sperrigen Brille maskierte Psychopath von einem verdrehten Gerechtigkeitssinn. Lügen in der Politik möchte er aufdecken, die Verbindungen der Mafia, mit ihren Spitzen Carmine Falcone (John Turturro) und seinem Handlanger The Penguin (unter einem Fatsuit nicht zu erkennen: Colin Farrell) zur Polizei dokumentieren.
Dabei bedient sich das in Rätseln sprechende menschliche Monster auch der Folter - und streamt seine Gewalttaten live für seine Follower. In seinem Hass gegen die Obrigkeit erinnert der Riddler durchaus an den letzten "Joker", doch hier gibt es ja noch den Batman, der gemeinsam mit dem ehrbaren Polizisten James Gordon (Jeffrey Wright) ein Gegengewicht zum Terror von unten gegen die da oben darstellt.
Der neue Batman ist ein anderer, nur wenig verlässlicher Superheld
Gleichwohl ist dieser Batman alias Bruce Wayne in der griesgrämigen Darstellung des "Twilight"-Vampirs Robert Pattinson ein anderer, nur wenig verlässlicher Superheld. Jünger ist er als die früheren Figuren, erst seit zwei Jahren leuchtet für ihn das Bat-Signal, dass ihm bedeutet, nachts das Böse zu bekämpfen. Und doch wirkt Wayne bereits ausgebrannt, der Körper gezeichnet von Narben. Die Müdigkeit in seinen Augen, die gespenstische Blässe im Gesicht, die Trägheit auch in seinem Sozialleben, sie stammt noch vom unverarbeiteten Trauma des heimtückischen Mordes an seinen Eltern.
Gerade in den Szenen mit der als Bardame Selina getarnten Catwoman (Zoë Kravitz), die eine selbstbewusste Coolness in den mit drei Stunden doch etwas langen Film einbringt, zeigt sich bei Wayne auch eine Verletzlichkeit, eine Unsicherheit in die eigene Selbstjustiz-Moral, die man so noch nicht kannte.
"The Batman" ist filmisch und musikalisch meisterhaft komponiert
Am Ende, wenn ein infamer Angriff auf eine mögliche neue Bürgermeisterin (Jayme Lawson), auf die Hoffnungsträgerin im Kampf gegen die Korruption, fatal an den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 erinnert, gewinnt nicht nur der filmisch und musikalisch (Soundtrack: Michael Giacchino) meisterhaft komponierte Film, sondern auch die Figur Batman an Kraft, an Esprit.
Der Wille zum Wandel, zum Umschwung zeigt sich in "The Batman" nicht nur in seiner gesellschaftlichen Betrachtung, sondern eben auch in seinem filmischen Blick: auf das doch etwas abgegriffene Superheldenkino, das selbst ohne einen klassischen Superhelden funktionieren kann.
Kino: Rio, Royal, Cadillac, CinemaxX, Solln, Leopold, Mathäser, Monopol sowie Cinema, Museum Lichtspiele (OV)
Regie: Matt Reeves (USA, 175 Min.)
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