Sönke Wortmanns Komödie "Contra": Über den Schatten springen

Der Film ist ein intelligentes Spiel mit aktuellen Gesellschaftsfragen und dabei ein großer Kinospaß.
Adrian Prechtel
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Naima (Nilam Farooq) lässt sich dank ihres Professors (Christoph Maria Herbst) bald nicht mehr zu falschen Vergleichen verleiten.
Naima (Nilam Farooq) lässt sich dank ihres Professors (Christoph Maria Herbst) bald nicht mehr zu falschen Vergleichen verleiten. © Constantin Film Verleih

Das Wort "Vorurteil" sagt genau das aus, was man in "Contra" auf beiden Seiten erleben kann: eine Meinung über einen Menschen zu haben, bevor man etwas über den anderen weiß.

Komödien spielen oft mit Vorurteilen und Klischees - und weil "Contra" eine besonders intelligente ist, geht man bewegt, vielleicht sogar weniger vorurteilsbeladen, jedenfalls aber vorsichtiger aus diesem beglückenden Film heraus.

Wortmann passt französische Vorlage "Le Brio" an

Sönke Wortmann, dem schon 2018 mit "Der Vorname" eine geniale Eindeutschung einer französischen Erfolgskomödie gelang, hat sich dieses Mal "Le Brio" von Yvan Attal mit Daniel Auteuil (2017) als "wütendem weißen Mann" zur Vorlage genommen. Die beiden Milieus, die sich hier aneinander reiben, repräsentieren ein konservativer Professor für römisches Recht (Christoph Maria Herbst) und eine prekär lebende junge Migrantin (Nilam Farooq). Dass letztlich beide "ums Überleben" kämpfen, ist ein Clou der Geschichte.

Sie hat eine liebende, aber traditionelle Mutter und einen orientierungslosen halbkriminellen Bruder, ist alleinerziehend und versucht heldenhaft, die Restfamilie zu stabilisieren, auch finanziell durch nächtliche Nebenjobs - neben dem fordernden Jurastudium, das Aufstieg und Sicherheit bringen könnte. Und er? Bei ihm, einem ehemaligen Staranwalt, bekommt man immer mehr kurze Einblicke in Lebenskatastrophen, so dass man nach und nach privates Scheitern, Einsamkeit und Schuldgefühle hinter der zynischen intellektuellen Fassade erkennt. So kann man vieles verstehen, ohne dabei gleich alles verzeihen zu müssen.

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Zusammen läuft alles im großen Hörsaal der Goethe-Universität, wo der Professor seine schneidende rhetorische Kunst der geistreich eleganten Beleidigung an der zu spät kommenden Naima wie bei einem Schauprozess durchexerziert. Was ihn vor den Disziplinarausschuss bringt, vielleicht ans vorzeitige Ende seines Berufslebens und zwingt, die aus seiner Sicht kulturell beschränkte Migrantin durch einen renommierten universitären Debattierwettbewerb zu bugsieren.

Hier nutzt der Film die Chance, wichtige Debatten in witzigen Pro- und Contra-Kämpfen voltenreich auseinandernehmen zu lassen - vom Klassiker der Todesstrafe über die Demokratiefähigkeit des Islam bis zur Gefahr der Neuen Rechten. Das ist zirzensisches Gehirnjogging und zeigt, was eine freie Debattenkultur zur Erkenntniserweiterung beitragen kann - und damit zu gesellschaftlicher Liberalität.

"Contra" bietet intelligenten Kinospaß

Die Kunst eines guten Films besteht auch darin, eine genau konstruierte Geschichte natürlich wirken zu lassen. Auch das gelingt "Contra" - selbst wenn die Clique von Naima in der Wohnblocksiedlung mit ihren verschiedenen Typen und Ethnien sehr stark gecastet wirkt und am Debattierwettbewerb auffällig viele Frauen teilnehmen.

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Aber wer denkt, dass in so einer Komödie am Ende Naima einfach gewinnen und der Professor nur sein schweres steinernes Herz erwärmen muss, damit die Welt wieder in Ordnung ist, unterschätzt die Intelligenz dieser Komödie, die auch gegenseitige charakterliche Enttäuschungen stehen lassen kann oder auch von der Migrantenseite verlangt, sich nicht länger bequem in der Opferrolle einzurichten. Eine dynamische Inszenierung, vorwärtstreibende Filmmusik und witzige Szeneneinfälle machen Wortmanns Film zusammen mit seinen zwei großartigen Schauspielern zu einem intelligenten Kinospaß. Übriges geht man in "Contra" am Ende auf eine "Kartoffelparty" - das liebevoll ironische Wort für die private Feier nach der Einbürgerung.

R: Sönke Wortmann (D, 103 Min.), Kino: Astor Film Lounge im Arri, Cinemaxx, Sendlinger Tor, Kino Solln, Mathäser, Rio,

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