Kritik

"Menschliche Dinge" im Kino: Wenn Wahrheit nicht eindeutig ist

Das französische #MeToo-Drama "Menschliche Dinge".
Margret Köhler |
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Spielen die prominenten Eltern des Angeklagten: Charlotte Gainsbourg und Pierre Arditi im Gerichtssaal.
Spielen die prominenten Eltern des Angeklagten: Charlotte Gainsbourg und Pierre Arditi im Gerichtssaal. © Curiosa Films

Es ist meistens leicht, in der notwendigen #MeToo-Debatte den Schuldigen auszumachen: den Mann.

Im Zweifel nicht für, sondern gegen den Angeklagten. Yvan Attal, mehr für Komödien bekannt, widmet sich in seinem aufwühlenden Justizdrama nach dem Roman von Karin Tuil einem Vergewaltigungsprozess, der zwei bürgerliche Familien an den Rand des Abgrunds bringt und der Frage nachgeht: "Wo fängt Vergewaltigung an?".

Der Stanford-Student Alexandre (Ben Attal) kommt für einige Tage nach Paris, wo sein Vater (Pierre Aditi) einen Kulturpreis erhält.

"Menschliche Dinge" neu im Kino: Kontroverse um die Wahrheit

Seine Mutter, eine im Fernsehen bekannte intellektuelle Feministin (Charlotte Gainsbourg), lädt ihn zu einem Abendessen mit ihrem neuen Partner und dessen Tochter Mila (Suzanne Jouannet) ein.

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Gemeinsam feiern die jungen Leute anschließend noch: Alkohol, Flirt, ein Schritt zu weit. Am nächsten Morgen klingelt die Polizei bei Alexandre und verhaftet ihn wegen Vergewaltigung, angezeigt von Mila.

Was folgt, ist eine Kontroverse um die Wahrheit. Regisseur Attal lässt den Figuren Raum, und arbeitet mit zwei Formaten. Scope für den gesamten Film, für die Rückblenden auf die Ereignisse während der Party und danach nutzt er das quadratischem Format und körniges 16mm-Material, um die Objektivität zu unterstreichen.

"Menschliche Dinge": Einvernehmlicher Sex oder Vergewaltigung?

Wer ist der 22-Jährige, wer die 16-Jährige? Ist er schuldig? Ist sie Opfer, oder will sie sich rächen? Ein brisanter Diskussionsstoff um die Frage des sexuellen Konsenses oder der "Grauzone", falls es die überhaupt gibt.

Der junge, charmante Mann aus bourgeoiser Familie, der in einer der ersten Szenen einer Reisenden am Gepäckband hilft, ist sich zu Beginn keiner Schuld bewusst und verheddert sich in Ausflüchte. Ihm gegenüber steht die gedemütigte, bei ihrer orthodoxen jüdischen Mutter in einfachen Verhältnissen lebende schüchterne Mila. Sie kennt den Code sexueller Verführung nicht und ist in eine Situation hinein gestolpert, die Alexandre als einvernehmlich betrachtet, sie aber als Vergewaltigung, auch wenn das verbale Nein fehlt.

Ein Fressen für die Medien: Sie spielen die sozialen Schichten gegeneinander aus

Vor Gericht knallen die unterschiedlichen Sichtweisen und individuellen Deutungen aufeinander. Es steht Aussage gegen Aussage. In dem Prozess werden vergangene intime Beziehungen und sexuelle Vorlieben durchleuchtet, um Angeklagten oder Klägerin zu belasten oder entlasten.

Ein Fressen für die Medien, die lustvoll die sozialen Schichten gegeneinander ausspielen. Und der Mutter des Angeklagten Heuchelei vorwerfen, die generell rigorose Bestrafung für Vergewaltiger forderte, jetzt aber ihren Sohn schützt. Einen heftigen Shitstorm erntet auch der als Womanizer bekannte Starjournalist und Papa.

"Menschliche Dinge": Ein Urteil über Täter und Opfer möchte man nicht fällen

Juristische und moralische Wahrheit sind nicht dasselbe in diesem undurchsichtigen Netz aus traditionellem und egoistischen männlichen Verhalten versus weiblicher Fragilität und sexueller Selbstbestimmung.

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 Am Ende bleiben nur zerstörte Familien und kaputte Seelen, liegen Zukunft und Träume in Trümmern. Ein Film, der beim Kampf um Gerechtigkeit und Definition von sexualisierter Gewalt sicherlich spaltet. Aber ein Urteil über Täter und Opfer möchte man nicht fällen.

Kino: Arena und Theatiner (OmU) - Regie: Yvan Attal (F, 138 Minuten)

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