Riesenhype um "Barbie": Film mit Margot Robbie und Ryan Gosling ist pinker Kopfsalat
Wer nichts zu Verbergen hat, braucht keine Gardinen – oder gleich gar keine Außenwände, wie Barbie in ihrer superamerikanischen Puppenhaus-Villa. Die Nachbarinnen sind alle nett, jeder Sonnentag hier ist "der schönste Tag" und Sex hat man auch nicht, weil weder Barbie noch Ken Geschlechtsorgane haben. Was eines der vielen Seitenthemen des Films ist. Das wiederum ist aber nicht der Grund, dass Greta Gerwigs "Barbie" kein Kinderfilm ist.
Der Film, den sie zusammen mit ihrem Mann, dem Regisseur Noah Baumbach auch geschrieben hat, bleibt harmlos. Auch weil Barbie uns Zuschauern gesteht, dass sie Ken gar nicht liebt. Schwierig an "Barbie" aber ist, dass der Film – bei aller Geradlinigkeit der Erzählung – überkomplex ist.

"Barbie" startet düster und landet bei Mattel
Barbie erwacht eines Morgens nach ewig jungen und dauersonnigen Jahrzehnten – und hat plötzlich Todesgedanken! Diese existenzielle Erfahrung gibt ihr eine Erdenschwere, die die sterile Leichtigkeit Barbielands für sie nicht mehr weiterlebbar macht. Barbie als psychisches Gift für Mädchen? Nein!

Helfen kann man ihr nur in der wirklichen Welt. Dorthin bricht sie dann auch mit ihrer ganzen Naivität auf. Sie landet in Santa Monica und betritt die Zentrale des globalen Spielwarenkonzerns Mattel, wo "Barbie" von Ruth Handler 1959 erdacht und ab da immer wieder modifiziert wurde.
Frauen sind in "Barbie" der Mittelpunkt der Macht
Das Vorurteil, Barbie sei die psychisch für Mädchen verheerende Verkörperung einer zwanghaft am Schönheitsideal eines Mannequins orientierten Luxus-Hausfrau, will Gerwig abräumen.
Denn alle wichtigen Positionen (inklusive einer an Michelle Obama orientierten Präsidentin) und Berufe (von Ärztin über Astronautin bis Journalistin) sind in Barbieland von Frauen, also Barbies, besetzt.

Schlankheits- und Schönheitskult aber bleiben unkritisch, fast unangetastet. Aber welche Haltung nimmt der Film dann gegenüber der Barbie-Welt ein? Ist es ein Paradies? Ja, sagt der Film: ein feministisches! Was lustig ist, weil ja gerade Feministinnen immer auf die Barbiepuppe eingeschlagen haben.
Der Konterpart in "Barbie": die Männer-Machoführungsriege bei Mattel
Andererseits kann Gerwig diese pinke Plastikwelt natürlich nicht unhinterfragt lassen. Also wird der Gang in unsere Welt zum lehrreichen Vergleich. Und diese Wirklichkeit wird als plump patriarchalisch markiert, weil hier nur Männer das Sagen haben – inklusive einer reinen Männer-Machoführungsriege bei Mattel (mit Will Farrell als CEO).
Diese hierarchischen Ego-Trottel aus unserer Wirklichkeit statten dann umgekehrt Barbieland einen – im Film nur mäßig witzig durchgeführten – Gegenbesuch ab. Für intelligente Zwischentöne bei der Gesellschaftsanalyse ist hier kein Platz. In der Idee ihres Spiels "verkehrte Welt" verliert auch die Regisseurin irgendwie den Überblick.

Ryan Gosling gibt Ken und ist "Kenough"
Ken übrigens fühlt sich in unserer Welt zum ersten Mal beachtet. Und das ist wiederum ein gelungener Aspekt in diesem rosaroten Feuerwerk: die Forderung nach der Emanzipation des Mannes, der auch mal weinen darf. Ken kompensiert sein mangelndes Selbstbewusstsein als Dauer-Beachboy zeitweise mit einem T-Shirt "I Am Kenough" – also: Ich bin o.k. so, wie ich bin. Auch verspricht Barbie am Ende für die Zukunft eine Männerquote für wichtige Jobs in Barbieland.
Die gesamten von Gerwig aufgeworfenen individualpsychologischen Fragen sind zwar witzig und immer wild, aber letztlich oberflächlich behandelt. Auch bei der sprichwörtlich gewordenen Frage "Wer bin ich und wenn ja, wieviele?" läuft es nicht rund. Barbie (und auch Ken) hat eine Identitätskrise – soviel ist klar. Für einen modernen Zeitgeistspiegel zu unentschlossen.
Die Verfilmung "Barbie" ist ein pinker Kopfsalat
Aber liegt es daran, dass sie keine echte Geschlechtsidentität haben? Das deutet der Film an. Oder liegt es bei Barbie vor allem daran, dass es von ihr zu viele Versionen, also Alter Egos gibt? Auch das ist ein Teil der Geschichte. Aber alles sind immer nur Bruchstücke. Und was bedeutet und woher kommt Kens Pferde-Obsession?
Greta Gerwig ("Francis Ha", "Lady Bird") hat im Hollywoodzirkus immer schon eine etwas schräge, intellektuelle Position gehabt. Aber "Barbie" ist ein pinker Kopfsalat geworden, der zwar durchaus witzig anzuschauen ist, aber keine der vielen Ansätze und Ideen nachvollziehbar durchspielt oder gar durchzieht. Und eine derart moderne Zeitgeist-Barbie-Version hätte eigentlich ein paar queere Einsprengsel haben müssen.
Hauptdarsteller Margot Robbie und Ryan Gosling sind glaubhaft und machen Spaß

Margot Robbie als Model-Blondine und Ryan Gosling als blondierter Six-Pack-Ken wiederum machen ihre asexuelle, aber doch klar hetero Sache gut, weil sie die Begrenzung durch den vorgegebenen Klischeerahmen amüsant ausreizen und den Plastikpuppen eine Ahnung von Fleisch und Blut geben.
Und dass Mattel als Rechteinhaberin bei dem bösen Spiel – inklusive Erwähnung der Steuerhinterziehungskriminalität der Barbie-Erfinderin und Bashing der männlichen Firmenstruktur - mitgemacht hat, zeigt überraschend selbstironische Größe. Letztlich könnte man noch ein Preisausschreiben machen: Wer die Story von Barbie nach den zwei Stunden Film nacherzählen kann, bekommt eine Barbie und einen Ken – diesmal mit Genitalien.
Kino: Cadillac, Cinemaxx, Gloria, Rio, Royal, Solln sowie Leopold (auch OmU) City, Arena, Monopol (OmU), Mathäser (auch OV) und Cinema, Museum (OV), R: Greta Gerwig, (USA, 112 Min.)
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