Krise als Katapult
Er ist der intellektuelle, komische Unterhalter Hollywoods. Seit dieser Woche läuft „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" in unseren Kinos. Ben Stiller ist auch Hauptdarsteller in seinem Film, der elegant alles zusammenpackt: Zeitkritik, Witz, Odysee-Action und eine romantische Komödie. Walter Mitty ist ein sympathischer, gewissenhafter Foto-Entwicklungs- und Negativ-Archivwurm. Aber die Zeitschrift soll nach ihrem Verkauf zum reinen Online-Auftritt degradiert werden. Mitty erfasst eine zynische Entlassungswelle. Er, der unscheinbare Alltagsheld, wird aus seiner Alltags-Lebensbahn geworfen. Jetzt wird er vom Schicksal getrieben, bis er – der Unbeholfene – das Leben selbst in die Hand nimmt.
AZ: Mr. Stiller, Walter Mitty träumt sich immer wieder in Fantasiewelten hinein. Sind Sie auch ein Tagträumer?
BEN STILLER: Als Regisseur gehört Tagträumen zum Beruf. Man verbringt viel Zeit damit, sich vorzustellen, wie Szenen aussehen sollen. Später beim Schnitt muss man sich vorstellen, wie man die einzelnen Bilder zusammenfügt und in Fluss bringt. Ich glaube, dass Tagträumen allgemein eine wichtige Voraussetzung zum Kreativsein ist. Und letztendlich ist es immer unsere Vorstellungskraft, die uns im Leben voranbringt.
Walter Mitty träumt sich aber aus dem Alltag weg.
Das ist eine sehr gesunde Form der Flucht: Tagträume sind ja eine Form, das eigene Leben in Ruhe zu überdenken.
Mitty ist bei einer Fotozeitschrift für Entwicklung und Archivierung der Negative zuständig. Was hat Sie an diesem aussterbenden Beruf interessiert?
Es geht um einen Mann, der sein Leben mit Fotografien verbracht hat. Er hat all die Bilder in seinen Händen gehabt, für die die Fotografen um den Globus gereist sind, während er all die Jahre nur im Archiv verbracht hat. Deshalb war es mir wichtig, die Geschichte, die Walters Weg aus seinem eingeschränkten Leben heraus in die weite Welt hinein beschreibt, auf eine möglichst visuelle Weise zu erzählen.
Der Film widmet sich auch dem Zeitungssterben, das die Medienlandschaft dramatisch verändert hat.
Ich lese gern Bücher, blättere gern in Seiten von Magazinen und Zeitungen. Ich drehe auch lieber auf echtem Filmmaterial. Durch die digitalen Techniken verlieren reale Dinge immer mehr an Bedeutung. Außerdem wird unsere Aufmerksamkeitsspanne immer niedriger. Die Art, wie wir heute mit Informationen umgehen, ist sehr unkonzentriert und oberflächlich. Man springt von einem Thema zum nächsten. Das ist fatal.
Ist es schwer, einen positiv gestimmten Film über einen Mann zu machen, der dabei ist, seinen Job zu verlieren?
Es geht gar nicht so sehr um die Entlassung Walters als um das allgemeine Gefühl, vertrieben zu werden, während der Fortschritt an einem vorbeizieht. Durch die technologische Entwicklung werden bestimmte Jobs überflüssig, mit denen sich viele Menschen identifiziert haben. Dieser radikale Wandel auf dem Arbeitsmarkt katapultiert Walter hinaus in die Welt. Und er ergreift diese Chance. Wenn im Leben schwierige Situationen auf uns zukommen, müssen wir überlegen, wie wir darauf reagieren – und das kann ungeahnte Kräfte freisetzen.
Der Film ist mit einigen Songs der Achtziger Jahre unterlegt. Woher kommt Ihr Faible für diese Ära?
Das war die Zeit meiner Jugend, viele dieser Songs haben eine direkte Verbindung zu meiner eigenen Geschichte.
Gilt das auch für die Skateboard-Szenen?
Klar, als Teenager bin ich in New York sehr viel Skateboard gefahren. Ich bin manchmal ein wenig nostalgisch. Wenn man älter wird, ist es wichtig, die Verbindung zu den Erinnerungen und Gefühlen der eigenen Vergangenheit aufrecht zuerhalten.
Kino: Gloria, CinemaxX, Münchner Freiheit, Mathäser (auch OF) und Cinema, Museum OF
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