Kleiner Mann - was nun?
Ben Stiller schafft elegant, alles in einen Film zu packen: "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" ist zeitkritisch und witzig zugleich sowie eine Action-Odyssee und romantische Komödie
Nach 64 legendären Jahren kam 2000 das Aus für das Fotoreportagen-Magazin "Life". Das Fernsehen hatte endgültig die Bilderhohheit der Live-Berichterstattung übernommen. Ben Stiller spielt als Regisseur und Hauptdarsteller diese Geschichte ins Jetzt: Walter Mitty ist hier ein sympathischer, gewissenhafter Foto-Entwicklungs- und Negativ-Archivwurm.
Unser Held des Alltags, erfasst von einer zynischen Entlassungswelle
Die Zeitschrift soll nach ihrem Verkauf zum reinen Online-Auftritt degradiert werden. Mitty erfasst eine zynische Entlassungswelle. Er, der unscheinbare Alltagsheld, wird aus seiner Alltags-Lebensbahn geworfen. Aus der ist er bisher nur in Supermann-Actiontagträumen ausgestiegen. Jetzt wird er vom Schicksal getrieben, bis er - der Unbeholfene - das Leben selbst in die Hand nimmt.
Krise als Katapult ins wahre Leben
Stiller hat daraus keine reine "Du-kannst-es-schaffen"-Geschichte gemacht. Aber die wirtschaftliche und persönliche Krisen-Geschichte zeigt, dass im Verlust von Sicherheiten auch die Chance zu Neudefinition und Selbstfindung steckt. Dass der Film in den USA gut, aber nicht überragend lief, ist in diesem Fall ein Zeichen der Stärke. Denn "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" bedient keine Klischees. Komödiant Stiller ist hier ein Darsteller, der einem Jedermann - bei allem Witz - Charakter gibt.
Action-Odyssee und Liebesgeschichte
Action gewinnt der Film durch die surreal, slapstick-starke Geschichte, dass Mitty für die letze Printausgabe einem Negativ eines mysteriösen Starfotografen (Sean Penn) hinterherhetzt - durch die ganze Welt über alle geografischen und persönlichen Grenzen hinweg. Und der klassische Schluss-Showdown friert hier auf dem Dach der Welt in Yeti-Kälte fast ein. Diese buddhistische "Lass-es-laufen"-Lektion ist eine ungewöhnliche Pointe.
Ein intelligenter Film für alle Kinogänger
Intellektuelle werden aus diesem Film die Zeitgeistkritik am menschenfeindlichen McKinseyismus mitnehmen und sich der nur zweieinhalb Seiten langen "Mitty"-Kurzgeschichte von James Thurber aus dem Jahre 1939 erinnern, die das Vorbild des Films ist. Familien werden sich von der turbulent-lustigen Welt-Odyssee unterhalten lassen, Freunde der romantischen Komödie mit der Liebesgeschichts-Anbahnung mitfiebern. Und ein Jedermann wird seine Ausbruchsfantasien aus dem Angestellten-Alltag witzig eingefangen finden. Ein bemerkenswert grosses, gelungenes Spektrum.
Kino: Gloria, Maxx, Münchner Freiheit, Mathäser (auch OF); Cinema, Museumlichtspiele in OF; R: B. Stiller (USA 115 Min.)
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