Klaus Lemke im AZ-Interview: "Keine gute Besserung!"
München - Es ist der ganz normale Wahnsinn hinter der Kamera: Urkundenfälschung, Zickenkrieg und ein Regisseur, der das Produktionsgeld lieber selbst verprasst. Regie-Phänomen Klaus Lemke lässt auf dem Filmfest seinen anarchischen "Making Judith!" auf das Publikum los. Hier erklärt der Mann, der "lieber der Film wäre, als sein Regisseur", warum sich ein Film von seinem Macher loslösen sollte.
AZ: Herr Lemke, wie viel Geld haben sie in der Tasche, wenn Sie einen neuen Film anfangen?
KLAUS LEMKE: Nicht mehr als meine Helden vor der Kamera. Und die haben gewöhnlich nix. In "Making Judith!" geht es darum, wie ich Mädchen caste, nur um an ihr Geld ranzukommen.
Sie wollen sagen, als Regisseur braucht eine gewisse kriminelle Energie?
Absolut! Oder man macht sich zum Idioten für eine feudalistisch-staatliche Filmförderung, die ein Tritt in jedwede Kreativität ist.
Also am besten mit dem Handy drehen?
Sicher, was auf Handy nicht funktioniert, wird auch auf 70-Milimeter nicht funktionieren. Nur auf dem Handy kann man hart, schnell, lässig mit dieser fiebrig-schäbigen Eleganz drehen, auf die es im Film allein ankommt.
Sie werden sehr oft zitiert mit dem Satz: "Jeder wäre gerne anders. Ich wäre lieber der Film, als der Regisseur des Films."
Ein Film muss seine eigene Logik aus sich selbst entwickeln, unabhängig vom Regisseur. Ein Regisseur kann sich bestenfalls nur an der Hand nehmen – und ins Dunkle stolpern.
Wie meinen Sie das genau?
Nehmen wir "Toni Erdmann". Der Film hat sich so gelangweilt mit den ersten 45 Minuten, dass er sich dann aber genau daurch selbstständig gemacht hat. Und so wurde aus dem üblichen Berliner Narrativ "Vater / Tochter / Migräne / Magersucht" eine der feinsten deutschen Komödien, weil sich der Film eben vom Regisseur gelöst hat.
Sie geben in "Making Judith!" das Geld, dass Sie vom gecasteten Mädchen ergaunert haben, für Prostituierte aus.
Ja, ich wäre auch gern anders. Aber vergessen Sie nicht: Noch nie hat irgendein Film jemanden zu einem besseren Menschen gemacht. Es reicht, wenn man aus dem Kino kommt und ein bisschen zu sich selbst passt.
Heute, Premiere, 22 Uhr, Arri, wieder am Freitag, 30. Juni, 17.30 Uhr, und Samstag, 1. Juli, 15 Uhr, Münchner Freiheit
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