Kino-Drama "Alles ist gut": Bis nichts mehr geht
Ein stilles, aber wuchtiges Drama und das in Zeiten von lautem MeToo-Getöse? Vielleicht deshalb, weil Eva Trobisch das zurückhaltende Drehbuch schon vor dieser Bewegung geschrieben hat. Ihre Hauptfigur Janne ist eine selbstbewusste und taffe Frau, lernt nach dem Klassentreffen Martin kennen, man flirtet, trinkt etwas zuviel, ist einfach gut drauf. Sie nimmt ihn mit nach Hause, wo er gegen ihren Willen mit ihr schläft.
Nach der Vergewaltigung schweigt sie - sie will kein Opfer sein
Sie schweigt über den Vorfall, geht zur Tagesordnung über, will kein Opfer sein. In ihrem neuen Verlagsjob trifft sie Martin wieder, als Kollegen und Schwager des Chefs, dessen Entschuldigungen sie runter bürstet, der ironisch meint, mit einer Tafel Schokolade sei es getan. Erst sukzessive merkt sie, wie sich die erlebte Gewalt klammheimlich in ihre scheinbare Normalität schleicht. Die Beziehung zu ihrem Freund geht in die Brüche, privat und beruflich ist nichts mehr, wie es einmal war. Der Anlauf zu einem Gespräch mit der Mutter in der Sauna bleibt vage.
Kinofilm "Alles ist gut" bedient keine Klischees
Janna erfüllt Alltagsaufgaben, lässt sich die Verzweiflung nicht anmerken, auch wenn ihr das Leben sukzessive entgleitet. Sie funktioniert, bis sie nicht mehr kann. Wie so viele in dieser Situation. Das schonungslose und trotz des brisanten Themas mit einer gewissen Leichtigkeit erzählte Drama vermeidet Sensationslust, passt in die aktuelle Diskussion um sexuelle Gewalt, ist ein Spiegel der Gesellschaft und der zementierten Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern. Der Film skizziert eine moderne junge Frau, die ihre Probleme mit der Ratio in den Griff kriegen will.
Aenne Schwarz beim Filmfest München als Beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet
Fast beiläufig zeigt Trobisch, die mit dem Film den Förderpreis Neues Deutsches Kino in der Kategorie Regie gewann, die psychischen Folgen einer Vergewaltigung, obgleich der Begriff nie fällt, und einen fast sympathischen Mann (Hans Löw), der nicht ins Klischee des brutalen Vergewaltigers passt. Einer, der glaubt, sich einfach nehmen zu können, was er will, Situation und Zeichen falsch deutet. Der Nein nicht als Nein versteht.
Aenne Schwarz, beim Filmfest München als Beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet, spielt ruhig, überlegt und gefasst, auch wenn man sie manchmal schütteln möchte. Es tut weh, ihr zuzuschauen. Das etwas plötzliche Ende, das den Film einfach abschneidet, irritiert allerdings. Es gibt keine befriedigende oder befreiende Lösung.
Aber vergessen geht auch nicht. Alles ist gut? Nein, nichts ist gut.
Kinos: ABC, Atelier, Monopol R: Eva Trobisch (D, 99 Min.)
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