Filmfest München: Aufruhr und Initiative - Film kann aufrütteln
München - Wie Ameisen wuseln die Bewohner durch das Treppenhaus, das sich scheinbar unendlich weiter abwärts windet. Sie machen Krach, mit allem, was sie haben, schlagen mit Löffeln gegen Bratpfannen, singen, schreien, erheben ihre Stimme, um zu sagen, dass sie noch da sind. Und dass niemand sie verjagen kann, aus ihrem Haus.
Brasilianische Hausbesetzung: "Era o Hotel Cambridge". Foto: FFM.
In "Era o Hotel Cambridge" (Samstag, 1. Juli, 19 Uhr, Theatiner) porträtiert Eliane Caffé mit Menschlichkeit und Wärme eine Gruppe von Arbeitslosen und Flüchtlingen, die ein ausgedientes Hotel in São Paulo besetzen.
Solange sie sich die Regierung, genauer gesagt die bewaffnete Polizei vom Leibe halten, die ihnen den Wohnraum nehmen will, bleibt den Bewohnern ihre Würde und ein Rest Hoffnung. Sogar zarte Annäherungsversuche, die Möglichkeit einer neuen Liebe haben Platz in diesem Chaos-Haus, das kurz vor dem Abriss steht.
Die Darsteller sind Schauspieler und Laien, die Filmemacher gehören inzwischen zu den Besetzern, die noch aktiv sind. Die Grenzen zwischen filmischer und gelebter Realität sind nicht mehr klar.
Das verbindet die Filme der von Florian Borchmeyer kuratierten Reihe "Kreativer Widerstand" auf dem diesjährigen Filmfest München. Die Künstler klagen die herrschenden Verhältnisse an, und sie wählen dazu ein Mittel, mit dem sie die Wirklichkeit unmittelbar spiegeln und in sie eingreifen können: das Kino. Viele der Filme sind in Ländern entstanden, in denen es gar keine Finanzierungsmöglichkeiten gibt, aber "wer ohnehin keine Förderungen zu erwarten hat, kann auch kompromissloser arbeiten", sagt Florian Borchmeyer und bezieht sich damit auf Portugal. Dort ist der Markt derart zusammengebrochen, dass die Vorstellung, mit Filmemachen Geld zu verdienen, eine Illusion ist.
Nach der Pleite in Selbstregie: "A Fabrica de Nada" aus Argentinien. Foto: FFM
Wie schräg das Ergebnis werden kann, zeigt "A Fabrica de Nada" (Samstag, 1. Juli. 15.30 Uhr, Münchner Freiheit) von Pedro Pinho, in dem ein paar Arbeiter eine Fabrik nach der Insolvenz selbstbestimmt verwalten. Auch hier ist der Zuschauer nah an einer Gruppe im Stich Gelassener, die mit allen Mitteln für die Grundlage ihrer Existenz kämpft.
Angeführt wird sie von einem italienisch-argentinischen Aktivisten, der sich selbst spielt und die Arbeitslosen, teilweise Laien, mit linken Theorien befeuert. Absurderweise formieren sie sich schließlich zu einem verzweifelt-aufbegehrenden Tanz. Und während sich diese Männer linkisch unter schrägem Gesang zwischen den stillgelegten Maschinen bewegen, wird der Film plötzlich zum antikapitalistischen Musical.
Stammeskulturen aufbrechen: "I'm Not a Witch" aus Sambia. Foto: FFM
In dieser politischen Reihe geht es nicht um Formen und Stile, es geht um die Kraft des Widerstands. "Der Film als politische Bombe funktioniert heute nicht mehr. Aber als Reflexionsinstanz, die einen gemeinsamen Raum schafft und hilft, Fragen zu stellen und Zweifel zu schüren, lässt er sich gut einsetzen", sagt Florian Borchmeyer über die Verantwortung der jungen Filmemacher-Generation.
Und große Zusammenhänge lassen sich eben am besten an persönlichen Geschichten erzählen. In "La Soledad" (heute, 19 Uhr, Theatiner, und morgen, 17 Uhr, Münchner Freiheit) kehrt der Regisseur Jorge Thiele Armand zurück ins verfallene Haus seiner Urgroßeltern. Es soll verkauft werden. Aber Venezuela steckt in einer Krise, und José, einer der illegalen Bewohner des Hauses, ist ein Kindheitsfreund des Regisseurs. Er stünde dann mit seiner kleinen Tochter und der Großmutter vor dem Nichts.
Vor ganz anderen Herausforderungen steht die neunjährige Shula, die in "I am not a witch" (heute, 17 Uhr, und morgen, 19.30 Uhr, und Samstag, 1. Juli, 22 Uhr, Münchner Freiheit) von der Stammesgemeinschaft der Hexerei angeklagt wird und in eine Ziege verwandelt werden soll, wenn sie versucht, aus dem Internierungslager für Hexen zu fliehen – mit ihrem Beitrag findet die sambische Regisseurin Rungano Nyoni starke Bilder, die gegen die unterdrückenden Strukturen ihres Staates aufbegehren. "Wer Kunst macht, macht keine Revolution", sagt Marcuse. Auf diese künstlerisch-revolutionäre Reihe trifft das nicht zu.
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