Kritik

"Einfach mal was Schönes": Äußerst unterhaltsame Probleme

Karoline Herfurth spielt in der von ihr inszenierten Komödie eine Frau mit Torschlusspanik
Martin Schwickert |
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Karoline Herfurth als Klara und Nora Tschirner (links) als Jule in "Einfach mal was Schönes".
Karoline Herfurth als Klara und Nora Tschirner (links) als Jule in "Einfach mal was Schönes". © Foto: dpa/Warner Bros.

Die biologische Uhr tickt laut und ist nicht zu überhören. Karla (Karoline Herfurth) geht auf die 40 zu, hat keine feste Beziehung und wünscht sich sehnlichst ein Kind. Dabei war sie vor ein paar Jahren schon einmal schwanger. Aber der Herr Lebensgefährte fühlte sich dem Vaterwerden nicht gewachsen, weshalb sich Karla für eine Abtreibung entschied, um ihren Freund wenig später an eine andere zu verlieren. Seitdem tummelt sich die Radiomoderatorin auf dem digitalen Dating-Markt.

"Co-Parenting" wird thematisiert

Mit einem gewissen Torsten robbt sie sogar durch den Schlamm eines Abenteuer-Parcours, erfreut sich am verschwitzten Sex im Auto, bis dessen Ehefrau anruft und die Einkaufsliste durchgibt. "Dann eben ohne" denkt sich Karla schließlich kapitulierend und sucht nach Optionen, Liebesbeziehung und Mutterschaft voneinander zu trennen. "Co-Parenting" nennt es sich, wenn vermehrungswillige Männer und Frauen per künstlicher Befruchtung ein Kind zeugen, das von den getrennt lebenden Eltern gemeinsam aufgezogen werden soll.

Dumm nur, dass Karla auf der Hochzeit ihres Vaters den Krankenpfleger Ole (Aaron Altaras) kennenlernt. Der junge Mann ist 26 und sichtlich ernsthaft an Karla interessiert. Aber was soll sie mit diesem hübschen, jungen Kerl, dem sie nicht die Vaterschafts-Pistole auf die Brust setzen kann und will? Und so verfolgt sie die erfrischende Romanze und die Operation "Künstliche Befruchtung" parallel weiter, was zum Eklat führen muss.

Ulrike Kriener ist furios in der Rolle 

Nachdem Karoline Herfurth in "Wunderschön" die weiblichen Schönheitsideale der modernen Gesellschaft facettenreich infrage stellte und damit 1,6 Millionen Zuschauer ins Kino zog, begibt sie sich nun wieder in das Format der romantischen Komödie. Aber "Einfach mal was Schönes" geht weit über die Liebesgeschichte zwischen einer Enddreißigerin mit Torschlusspanik und einem zehn Jahre jüngeren Mann hinaus.

Denn Herfurth erweitert das Rom-Com-Genre zum tragikomischen Porträt einer dysfunktionalen Familie. Mutter Marion (Ulrike Kriener) hat sich nach der Scheidung von ihrem untreuen Ehemann (Herbert Knaup) in ihren Schuldzuweisungen eingerichtet und bekämpft den Lebensfrust wenig erfolgreich mit übermäßigem Alkoholkonsum. Ulrike Kriener ist furios in der Rolle der verbitterten Verlassenen, die echte Kamikaze-Instinkte entwickelt, wenn sie im Leopardenkleid die Hochzeit ihres Ex-Mannes crasht. Bei solchen Eltern sind die Aussichten der drei Töchter auf ein eigenes ungetrübtes Familienglück begrenzt.

Schnelle, treffsichere Dialogen

Die Älteste (Nora Tschirner) scheint mit solidem Ehemann und kleiner Kinderschar alles richtig zu machen, ist aber von ihrer Mutterrolle gelangweilt und tröstet sich mit heimlichen Affären. Ihre jüngste Schwester (Milena Tscharntke) ist nah an der Panikattacke gebaut und droht mit ihrem Perfektionismus die Traumhochzeit mit der coolen Profi-Fußballerin Kate (Franziska von Harsdorf) zu ruinieren. Und für Karlas Pläne einer ungepaarten Elternschaft haben beide Schwestern wenig Verständnis.

Mit schnellen, treffsicheren Dialogen und einer etwas vorhersehbaren, sich überstürzenden Handlung entwirft Herfurth ein emotionales Durcheinander, in dem Fragen von weiblicher Identität, Mutterrolle und familiäre Dispositionen zur Beziehungsunfähigkeit äußerst unterhaltsam verhandelt werden.

Dabei setzt sie - wie ihre Schauspiel-Regie-Kollegen Til Schweiger und Matthias Schweighofer - auf ein populäres Mainstream-Format. Nur dass sich Herfurths Komödien im Abgang als deutlich gehaltvoller, tiefgründiger und auch lustiger erweisen.

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Zwischen nervigen Musikstrecken bedient Herfurth die Genre-Stereotypen und füllt sie aber mit eigenem Leben. Das gelingt ihr zum einen durch einen konsequent weiblichen Blick und zum anderen mit einer traumsicheren Besetzung.

Das beste Beispiel ist hier die Rolle der besten Freundin, die ja in keiner romantischen Komödie fehlen darf. Aber was die fabelhafte Jasmin Shakeri aus der Figur der coolen, loyalen, pragmatischen Senay an glaubwürdiger Herzenswärme hervor befördert, damit könnte man eine ganzes Mietshaus einen Winter lang beheizen. Ähnlich überzeugend ist Milena Tscharntke, die als jüngste Schwester zunächst alle weiblichen Hysterie-Klischees zu bedienen scheint, aber die verängstigte, mutige Seele ihrer Figur hübsch widersprüchlich zum Leuchten bringt.

Gerade im differenzierten Umgang mit den Nebenfiguren beweist sich Herfurth erneut als umsichtige und aufmerksame Regisseurin, die souverän durch den Mainstream surft, ohne ihr sicheres Gespür für emotionale Genauigkeit zu verlieren.


Kino: Astor Lounge im Arri, Cinemaxx, Sendlinger Tor, Kino Solln, Leopold, Mathäser, Neues Rex, Rio Palast
R: Karoline Herfurth (D, 116 Min.)

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