"Eddie the Eagle": Es herrschte ein anderer Spirit!

Der junge Waliser spielt „Eddie the Eagle“, einen britischen Underdog, der sich in den Kopf gesetzt hatte, Skispringer zu werden – bei Olympia. Im AZ-Interview beantwortet Taron Egerton alle Fragen zum Film.
Adrian Prechtel |
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Taron Egerton 1989 in Aberystwyth, Wales, geboren, studierte er an der Londoner Royal Academy of Dramatic Art. Bekannt wurde er durch seine Rolle in der Actionkomödie „Kingsman: The Secret Service“.
dpa 2 Taron Egerton 1989 in Aberystwyth, Wales, geboren, studierte er an der Londoner Royal Academy of Dramatic Art. Bekannt wurde er durch seine Rolle in der Actionkomödie „Kingsman: The Secret Service“.
Der echte Wahnsinnige und Publikumsliebling: Michael Edwards im Februar 1988 bei den Olympischen Winterspielen in Calgary.
dpa 2 Der echte Wahnsinnige und Publikumsliebling: Michael Edwards im Februar 1988 bei den Olympischen Winterspielen in Calgary.

Er hat eine Cola dabei, als er lässig den Interviewraum im Bayerischen Hof betritt, sieht aber den Samowar im Eck und steigt sofort auf Tee um. Am Abend zuvor war die Premiere von „Eddie the Eagle“ – der Film über den ersten britischen Skispringer Michael Edwards, der 1988 fast untrainiert bei den Olympischen Spielen im kanadischen Calgary antrat.

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Taron Egerton geboren 1989 in Aberystwyth, Wales, studierte er an der Londoner Royal Academy of Dramatic Art. Bekannt wurde er durch seine Rolle in der Actionkomödie „Kingsman: The Secret Service“.

 

AZ: Mr. Egerton, wie haben Sie denn die Stufen hoch auf diese Schanzen geschafft? Da wird einem ja schon beim Hinschauen schwindelig.

 

TARON EGERTON: Mein Vorteil und Nachteil ist: Ich musste es tun, dafür wurde ich ja bezahlt! Aber es stimmt, ich bin da nicht der Mutigste – zumindest im Vergleich zur Kamikaze-Person Michael Edwards.

 

Wie nähert man sich als Schauspieler einer derart kauzigen Figur?

 

Ich gehe physisch heran: Körperhaltung, Gesten, Gang und Gesichtsausdruck – auch die Kleidung hilft. Und es gab Filmaufnahmen von Michael Edwards 1988, der auch beim Dreh dabei war. So bekam ich was mit von seiner Todesverachtung und seinem Enthusiasmus.

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Und dennoch ist er ja auch ein ganz gewöhnlicher Typ.

 

Ja, das ist die Spannung: Er ist kein amerikanischer Superheld, sondern der Allerweltsjunge von nebenan, dabei aber auch ganz schön verrückt. So sehr, dass ich als Vater meinem Sohn sagen würde: Nimm den nicht als Vorbild, das ist alles viel zu gefährlich.

 

Es ist wunderbar, im Film die Olympischen Spiele der 80er zu sehen.

 

Ich war 1988 noch gar nicht geboren. Aber selbst mir scheint, der Spirit war irgendwie ein anderer als heute, wo alles viel stärker kommerzialisiert ist, auch korrupter anscheinend. Und die Dopinggeschichten heute ruinieren auch die sympathische olympische Idee.

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Vielleicht war das schon immer so, nur das man es heute stärker ans Licht zerrt.

 

Das kann auch sein, aber irgendwie wird man nostalgisch, wenn man die alten Bilder und Aufnahmen sieht. Eddie ist ein Symbol für diesen Amateurgeist, der aber damals schon Außenseitertum war.

 

Wie dopen Sie sich für ihren Schauspieleinsatz?

 

Vielleicht ein Glas Whiskey, wenn ich zu nervös bin. Eddie dagegen hat ja immer ein Glas Milch getrunken.

 

Die Stadt Garmisch musste ja Garmisch als Trainingsort und noch Calgary spielen. Was war Ihr Eindruck?

 

Dass die Pubs zu früh schließen.

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Das ist ja in Großbritannien nicht anders.

Stimmt auch wieder.

 

Eddie the Eagle“ ist eine amerikanisch-deutsch-britische Produktion. Merkt man da größere Mentalitätsunterschiede?

 

Ich fand die Deutschen und uns Briten durchaus ähnlich – nämlich sehr liberal. Und ich bin sehr intolerant gegen Leute, die intolerant sind! Ich bin politisch links und auch nicht einverstanden mit der britischen Flüchtlingspolitik.

 

Und ist die junge britische Gesellschaft eher für oder gegen den Brexit, den Ausstieg aus der Europäischen Union?

In diesem Moment mischt sich die britische Agentin von Egerton ein, die bisher stumm im Eck saß und an ihrem Handy rumfummelte, und verlangt: keine politischen Fragen! Was lächerlich ist. Aber Egerton schaut schuldbewusst und fügt sich brav.

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Wie war Garmisch?

 

Mir kam’s durch den Wintertourismus sehr international vor. Und ich war noch nie so spektakulär hoch oben wie auf der Zugspitze.

 

Und München?

 

Das ist ja das Traurige: Man kommt hin, ist auf der Kinobühne und weiter geht’s. Aber ich komme zurück!

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AZ-Fazit: Berechnete Naivität und tolldreister Mut

Dieser Film könnte einer Drehbuchschulung entsprungen sein. Die Grundidee: Ein bebrillter Nerd und ungeschickter Loser will Olympionike werden. Seine Mutter unterstützt ihn, sein Vater ist dagegen (Familienkonflikt). Er gewinnt nach einigen Rückschlägen einen Kontrasttypen als Freund (so genannter Sidekick), überwindet Widerstände (Spannung) und wird der Skispringer der Herzen (Taschentuch!).

Das alles ist dramaturgisch äußerst klassisch, damit vorhersehbar, aber im Falle von „Eddie the Eagle“ dann doch amüsanter und intelligenter, als man anfangs glaubt. Das liegt auch an den sanft eingezogenen Zusatzebenen – wie dem Spiel mit den Klassenunterschieden. Denn Eddie (Taron Egerton) kommt aus dem Kleinbürgertum und wird vom versnobten britischen Skiverband gemobbt.

Nostalgischen Charme gewinnt die (grundsätzlich wahre) Geschichte noch durch den Retroblick in die 80er und die Hauptfigur, die für einen allzu glatten Sympathieträger viel zu skurril und wunderbar unsexy ist. Und irgendwie ist dieser Eddie auch ein Typ am Rande des Realitätsverlustes, weil ihm Angst als natürlicher Schutzinstinkt fast abgeht.

Hugh Jackman ist dagegen als sexy Gewinnertyp gesetzt, der jetzt aber abgestürzt ist, weil ihm im entscheidenden Augenblick seiner Skispringerkarriere etwas fehlte, was Eddie hat: Disziplin. Aus diesem Gegensatzpaar schlägt der Film durchaus Witz. Garmisch ist – trotz Schneemangels – charmant als Calgary-Double, wie auch Iris Berben originell als gealterte Verführerin eingesetzt ist. Mutig ist bei alledem der Film nicht, das aber ist dieser Eddie the Eagle dafür um so mehr – und das reißt durchaus mit!


Kino: Atelier, Cinemaxx, Sendlinger Tor, Mathäser, Gloria, Rio, Münchner Freiheit, Royal, Mathäser (auch OV), Cinema (OV) / R: Dexter Fletcher (GB, D, USA, 110 Min.)

 

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