David Breashears: "Komm runter, Junge!"

Der Spielfilm „Everest“ erzählt die Geschichte der tödlichen Expedition von 1996. Breashears war damals vor Ort. Im AZ-Interview spricht er über die Erfahrung und den Film.
Alexandra Dobre |
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München - Tausende bereiten sich monatelang auf die größte Herausforderung ihres Lebens vor: Den Mount Everest. Er ist der höchste Berg der Welt (8.848 m) und nur wenigen Wochen im Jahr zugänglich. Der Versuch im Mai 1996, den Gipfel für knapp 30 Menschen gegen ein Ticket von 65 000 Dollar zugänglich zu machen endete in einer Katastrophe. David Breashears war Augenzeuge und ist Co-Produzent der 3-D-Hollywood-Geschichte „Everest“.

AZ: Mr. Breashears, warum steigt man fünf Mal auf den Mount Everest?

DAVID BREASHEARS: Als ich elf Jahre alt war entdeckte ich ein Buch mit Bildern von den ersten Bergsteigern auf dem Gipfel vom Everest, dem Sherpa Tenzing Norgay und dem Neuseeländer Edmund Hillary. Ich dachte mir, diese Menschen machen das Heroischste und Bedeutsamste, was man machen kann. das behält seine Sogwirkung.

AZ-Filmkritik: "Everest" - Wer die Gefahr sucht....

Worum geht es beim Bergsteigen im Prinzip?

Wenn ich Sie an ein Seil binde muss ich auf Ihre Fähigkeiten vertrauen und Sie auf meine. Und wenn Sie sich verletzen und sich ein Sturm anbahnt, dann verlasse ich Sie nicht. Das ist Selbstlosigkeit. Man lernt, sich auf jemanden verlassen zu können, was für mich die Essenz von Bergsteigen ist.

Funktioniert das auch in gefährlichsten Situationen?

Man erkennt sein wahres Gesicht. All die Schichten schälen sich oben wie bei einer Zwiebel ab. Auf dem Berg gibt es keine Camouflage. Ohne genügend Sauerstoff trifft man leider schnell die falschen Entscheidungen. Oder man kann kollabieren, von einer Lawine übermannt und von einem Sturm überrascht werden. Mit jedem Schritt gen Gipfel sinkt die Sonne. Nachts will keiner absteigen.

Sie waren im Mai 1996 vor Ort um eine IMAX-Dokumentation über den Everst zu drehen. Wie erlebten Sie das später abgestürzte Bergsteiger-Team?

In der beginnenden Ära von Webseiten war Rob Hall der Erste, der die Welt für sich erobern wollte. Der Neuseeländer war dabei, sein Geschäft aufzubauen: Gegen viel Geld, Menschen auf den Gipfel bringen. Als er bei mir im Zelt stand um uns zu sagen, wann wir auf den Berg gehen dürfen, entgegnete ich ihm: „Ich war schon zwei Mal oben, bevor Sie je einen Fuß darauf gesetzt haben. Es gibt keinen Bürgermeister im Basislager!“

Ab 8 000 Metern beginnt die Todeszone, in der die Organe nicht genügend Sauerstoff bekommen und sich selbst abbauen. Waren Komplikationen nicht vorhersehbar?

Niemand konnte es ahnen. Rob hatte jahrelang mehr Menschen zum Gipfel gebracht als kein anderer zuvor. Er war dafür bekannt alles akribisch durch zu planen: ein Kontrollfreak! Am liebsten hätte er dir gesagt, wie viele Atemzüge du nehmen musst. Aber viele Dinge liefen schief. Wenn der kontrollierende Führer dann einmal nicht da ist... Ein idealer Bergführer sollte dich soweit bringen, dass du nach wenigen Wochen alleine überleben kannst.

19 Jahre nach dem Unglück erscheint „Everest“ in 3D. Sie wirkten als Co-Produzent mit. Was macht den Film aus?

Es geht nicht um die Besteigung, sondern darum, wie wir uns für andere einsetzen, um Wettbewerb und um Natur. Sie kann sehr freundlich aber auch extrem gewalttätig sein. Vor ihr sind wir immer zerbrechliche Kreaturen, egal wie groß unser Ego ist. Der Film zeigt mir: wenn wir vor Naturgewalten keinen Respekt zeigen, gehen wir zugrunde.

Was war Ihre größte Herausforderung bei der Umsetzung der Geschichte im Film?

Mir war wichtig, dass uns die Hollywood-Drehbuchautoren wenig kategorisieren in Gut und Böse und nichts hinzu erfinden. Wie Kletterer sind normale Menschen. Unsere Konversationen sind die gleichen. Wir reden über unsere Hoffnungen und Ängste und sitzen gemeinsam beim Essen ohne verrückt oder spastisch zu werden.

Bekommen Sie keinen Höhenrausch?

Ich bin dort zu Hause. Mein Körper funktioniert bei 8 000 Metern recht gut. Mittlerweile, wenn man so häufig ins Himalaya-Gebirge geht wie ich, freut man sich auf die ganz besonderen Menschen in Nepal. Die wenigsten würden wegen einem Berg wieder kommen.

Viele umarmen den Gipfel, wenn sie ihn endlich erreicht haben. Wenn der Everest eine Person wäre, wäre er eine Frau oder ein Mann?

Er wäre Caitlyn Jenner, ein transsexueller Star, der ehemalige amerikanische Olympiasieger Athlet Bruce. Der Everest ist für mich wie eine Schwester, Tante oder ein Bruder und Onkel, der dir eine liebevolle Umarmung gibt, die dir sagt, dass du aufpassen musst. Manchmal ist er eine mahnende Person, die dich hinterfragt, was du hier machst, und die dir sagt, dass du nicht hierher gehörst. Everest hat einen sehr entflammbaren Charakter.

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Viele Manager finden zu keiner Work-Life-Balance. Würden Sie die in die Berge schicken, um zu lernen, mit dem Leben besser umzugehen?

Was man oft bei Menschen sieht, die in der Arbeit oder auf dem Berg nicht ausgeglichen sind, ist ihre verzerrte Sicht auf die Welt: Es ist eine egozentrische, die verlangt, dass sich die Welt nach ihren Erwartungen richten muss. Da lehrt ein Berg Demut und Unterordnung. Um so mehr wir uns an den Erfolg gewöhnen und bequem Ziele erreichen, um so weniger sind wir imstande uns in einer sich schnell verändernden, wandelnden Welt zurecht zu finden.

Kino: in 3D: Royal, Mathäser, Cinemaxx, Leopold, Cinema (OV). In 2D: Münchner Freiheit, Museum (OV), Atelier (OmU) Regie: Baltasar Kormákur (US, 122 Min)

Über David Breashears: Der amerikanische Bergsteiger und Autor nahm 1983 eine TV-Live-Übertragung vom Mount Everest Gipfel vor und bestieg ihn 1985 zum zweiten Mal. Während der Katastrophe vom Mai 1996 war er als Regisseur bei den Dreharbeiten einer IMAX-Dokumentation dort.

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