"Corsage" im Kino: Launen, Liebe, Leiden
Gibt es einen besseren Stoff für unsere emanzipierten Zeiten? Immerhin geht es um eine Kaiserin, was schon mal Glamour verspricht. Nach einer Märchenhochzeit ist sie aber tragisch im goldenen Käfig der Wiener Hofburg gefangen. Aber sie ist eine starke Frau, die ihrem Mann - dem Kaiser - ein Ultimatum stellt: Freiheit und die Kinder oder ich gehe!
Es beginnt ein abenteuerliches Reiseleben - inklusive Tätowierung. Hinzu kommen Schönheitswahn und Magersucht sowie die Jagd der Klatschpresse. Politisch erlebt sie die Verhinderung ihrer progressiven Ideen durch die traditionell und rechtlich abgesicherte männliche Dominanz und am Ende steht noch ein tragischer Tod bei einem anarchistischen Attentat.
"Corsage": Kein ideologisch-feministischer Film
Die Österreicherin Marie Kreutzer hat sich auf Bitten der Schauspielerin Vicky Krieps, die schon in "Der seidene Faden" Daniel Day Lewis auf Augenhöhe begegnete, der Kaiserin angenommen und ihren Film "Corsage" genannt - als Symbol der Einengung einer freiheitsliebenden Frau. Aber - Gott sei Dank - hat Kreutzer weder einen ideologisch-feministischen Film gedreht noch einen verklärenden Heldinnenfilm.
Von Anfang an liegt in diesem Film über Elisabeth auch eine Todessehnsucht
Weihnachten 1877 und der Geburtstag einer Frau, die nicht mehr süß und Sisi ist: "Mit 40 Jahren löst sich der Körper auf", stellt Elisabeth in dunkel gefärbter Stimmung lakonisch fest. Nach einer unheimlichen Luftanhalteübung in der Badewanne steigt sie auf die Waage, piesackt dann die Zofe, die "unfähig und zu schwach" sei, das Korsett auf die selbstverpflichtenden 51 Zentimeter Taillenumfang zu schnüren.
Sie wird turnen, fechten (auch mit ihrem Mann), wild ausreiten und als das Pferd nach einem Sturz erschossen werden muss, beklagen, dass sie selbst nicht umgekommen sei. Denn von Anfang an liegt in diesem Film über dieser Frau auch eine Todessehnsucht, die sie mit ihrem Cousin Ludwig teilt. Der (Manuel Rubey) sagt ihr bei einem nächtlichen nackten Schwimmen im Starnberger See, das wunderschön wie ein Tanz inszeniert ist: "Ich verbiete Dir, in meinem See zu ertrinken." Was nicht der einzige originelle Witz in diesem Film ist.
"Corsage" ist ein spannendes Psychogramm einer komplexen Frau, die wir bewundern, auf deren Seite wir auch stehen. Wir erleben, wie der Tod ihrer ersten Tochter mit zwei Jahren immer noch nachwirkt, wie sie spürt, dass sich ihre Kinder von ihr als exzentrische Frau entfremden, wie ihr die männliche Elite mit Spitzen und eleganten Boshaftigkeiten begegnet, wie die Unmöglichkeit einer Affäre zu Verbitterung führt und erleben Drogenkonsum und Frauenfreundschaft als erlösende Flucht.
Franz Joseph als liebender, wenn auch etwas kleingeistiger Typ
Aber Marie Kreutzer ist zu intelligent, um es uns zu einfach zu machen. Vielmehr ergibt sich eine spannende Sympathieunschärfe beim Zuschauer. Und wenn der empathische Sohn Rudolph seiner Mutter sagt, sie sei "unmöglich", weil sie "jedem Impuls, jeder Laune" nachgebe, "anstatt an die Rolle zu denken", bleibt das auch ein berechtigter Vorwurf an eine narzisstische, egozentrische und sogar manchmal grausam herrische Frau.
Franz Joseph (Florian Teichtmeister) hingegen sieht sein Kaisersein als Pflichterfüllung und Verantwortung. Er ist hier als liebender, wenn auch befangener und etwas kleingeistiger Typ durchaus sympathisch gezeichnet.
Sanfte, oft auch witzige Gegenwartsverweise
Interessant ist auch, wie Marie Kreutzer mit historischer Genauigkeit umgeht: Die Sprache ist modern gehalten, im Hintergrund saugt schon mal ein Lakai einen Teppich, komödiantisch wird die Geburt des Kinos 20 Jahre vorweggenommen, der Stones-Song "As Tears Go By" wird auf einer Harfe gespielt und Elisabeth zeigt auch einmal kurz ihren "Fuck"-Mittelfinger.
Aber das sind hier keine Brüche, sondern sanfte, oft auch witzige Gegenwartsverweise, wie auch die schöne Singer-Songwriter-Musik der Französin Camille.
Kino: ABC, City, Monopol, Maxim, Isabella, R: Marie Kreutzer (A, Lux, D, F, 112 Min.)
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