"Bones and All" neu im Kino: Junges Fleisch

"Bones and All" ist ein tragisch-romantischer Roadtrip zweier Außenseiter durch ein kaputtes Amerika mit Horror-Elementen.
Adrian Prechtel
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Timothée Chalamet (links) und Taylor Russell als Außenseiterpaar auf ihrem USA-Roadtripp.
Timothée Chalamet (links) und Taylor Russell als Außenseiterpaar auf ihrem USA-Roadtripp. © Yannis Drakoulidis / Metro Goldwyn Meyer

Es gibt im Deutschen die merkwürdige Liebesbekundung, die auch was Bedrohliches hat: "mit Haut und Haar". Charmanter ist da der auf Pheromone anspielende Begriff "jemanden riechen können". In "Bones and All" kommt beides unheimlich zusammen, denn die 18-jährige Maren (Taylor Russell) und der nur leicht ältere Lee (Timothée Chalamet) lieben sich.

Bones and All: Welcher Fluch lastet auf dem jungen Pärchen?

Aber sie sind auf der Flucht - vor sich selbst und dem Fluch, der auf ihnen lastet. Andere verfolgen sie, wie Sully (Mark Rylance), der Maren nachstellt: ein melancholischer, einsamer, exzentrischer Typ, den etwas Perverses umspielt, wie Anthony Perkins als Norman Bates in "Psycho". Und bald wird klar, dass Leichen nicht nur seinen Weg pflastern, sondern dass ihn etwas mit Maren und Lee verbindet.

Bondes and All: Maren und ihr Drang, in Menschenfleisch zu beißen

Zusammengekommen ist das Liebespaar, weil sie gegenseitig Witterung aufgenommen hatten. Denn in diesem interessanten Horrorfilm können sich Kannibalen von weitem riechen.

Der Film beginnt in einer Wohnwagen-Siedlung in Virginia, wo der Vater von Maren sich liebevoll um seine Tochter kümmert, die wiederum ein liebes Mädchen zu sein scheint, wenn sie auch eine Außenseiterin ist - als sozial Deklassierte oder doch, weil sie farbig ist? Bis sie auf eine heimliche Pyjamaparty von Klassenkameradinnen eingeladen wird, wo Maren ihren Drang, in Menschenfleisch zu beißen, nicht länger unterdrücken kann.

Die beiden jungen Aussteiger stammen auch aus dysfunktionalen Familien

Das alles wäre purer Horror-Trash, wenn nicht zwei Aspekte zu Hilfe kämen: erstens die surreale These, dass Kannibalismus eine Art genetischer Fluch ist, für den der Perverse nichts kann.

Und zweitens ist der Film ein Roadmovie durch abgehängte Landstriche der USA, die auch moralische Verwahrlosung hervorbringen. Die beiden jungen Aussteiger stammen auch aus dysfunktionalen Familien, und die Streunerreise der beiden ist auch eine Suche nach ihrer abgehauenen Mutter.

Bones and All: Hauptdarsteller Timothée Chalamet und Taylor Russell  überzeugen

Der Palermitaner Luca Guadagnino erzählt eine Geschichte wie von "Bonnie und Clyde", dem romantisierten Gangsterpaar der US-Weltwirtschaftskrise. Dabei wird immer klarer, dass der Kannibalismus - bei allem schockierendem Realismus - auch eine Metapher ist und genauso gut durch Drogenabhängigkeit und Beschaffungskriminalität ersetzt werden könnte.

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So sieht man plötzlich auch die beißende Sozialkritik in Form dieser tragischen Romanze. Guadagnino hat schon 2017 mit Timothée Chalamet gedreht und dem Jungstar im homosexuellen Coming-of-Age-Film "Call Me by Your Name" eine Oscarnominierung verschafft. Chalamet ist auch in "Bones and All" wieder weit mehr als nur androgyn schön. Er überzeugt, wenn er die Tragik seiner Figur einnehmend in sich hineinweinend subtil ausspielt.

Taylor Russell bekam bei den Filmfestspielen in Venedig den Jung-Darstellerinnenpreis. Denn das macht den Film modern: Dass die Geschichte mit ihr eine Frau in den Mittelpunkt rückt.

Atmosphärisch spielen auch die 80er-Jahre hinein, wenn der Soundtrack das blutleckende "Lick It Up" von Kiss oder melancholische, aber treibende Songs von Duran Duran einspielt.


Kino: City, Monopol (OmU) und Mathäser, Museum (OV) - Regie: Luca Guadagnino (USA, 130 Minuten)

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