Kritik

"Body Horror": Künstlerische Körperwelten

Das Thema "Body Horror" steht im Zentrum einer fruchtbaren Zusammenarbeit des Filmfests mit dem Museum Brandhorst.
Florian Koch |
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Izzy (Ruby Stokes vorne) sorgt sich in "A Banquet" um ihre kranke Schwester Betsey (Jessica Alexander).
Izzy (Ruby Stokes vorne) sorgt sich in "A Banquet" um ihre kranke Schwester Betsey (Jessica Alexander). © Filmfest München

München - Einsam liegt sie auf dem Teller. Eine leicht angeschmorte Erbse. Betsey, die seit Tagen nichts gegessen hat, führt sie langsam zum Mund. Auf der Tonspur rumpelt es, die Mutter guckt erwartungsfroh, bis die vollen Lippen das grüne Gemüse in Großaufnahme endlich verschlungen haben.

Eine Erbse mit Folgen

Das Knacken der Erbse gleicht dabei einem Orkan. Alles gut? Betsey nickt. Bis die Bilder Schwindelgefühle bekommen, die Kamera wild zu kreisen anfängt, die junge Frau hustet und würgt. Panik bricht aus, die Mutter schreit, die Schwester hat Tränen in den Augen. Und Betsey? Die erholt sich rasch wieder. Bis zum nächsten Anfall. Bis zur nächsten Metamorphose.

Das Genre "Body Horror"

"A Banquet" (City, 14.30 Uhr; Di, 22 Uhr, Rio) der Debütregisseurin Ruth Paxton könnte stellvertretend für das Genre "Body Horror" stehen. Ein Begriff, der erstmals 1986 populär wurde und eine Form von schmerzhaftem Horror beschreibt, der nicht von außen, sondern von innen kommt. Die Wahrnehmung des Körpers, seine Anfälligkeit, seine Wandelbarkeit lässt sich filmisch weitaus früher datieren. Man denke nur an den "Frankenstein"-Mythos.

Künstlerische Neuverortung

Im Hinterfragen von Geschlechterrollen und in der Auseinandersetzung mit genetischen wie medizinischen (Un-) Möglichkeiten wird der in den 80er und 90er Jahren von David Cronenberg ("Die Fliege") und David Lynch ("Eraserhead) geprägte "Body Horror" künstlerisch wieder neu verortet: ein Highlight sicher die Goldene Palme für die Mensch-Maschine-Provokation "Titane" von Julia Ducournau. Ihr Frühwerk "Junior", eine Fabel über Pubertät, wird auf dem Filmfest München im Rahmen des Themenschwerpunkts "Body Horror" gezeigt (Mi, 21 Uhr, Astor Arri).

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Die dritte Kooperation mit dem Museum Brandhorst

Bereits zum dritten Mal kooperiert man hier mit dem Museum Brandhorst, das sich in der aktuellen Ausstellung "Future Bodies from a Recent Past - Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er-Jahren" mit dem Spannungsverhältnis von Körper und Technologie auseinandersetzt. Der Kurator und Autor Charlie Fox hat mit "Licking my Wounds" (22 Uhr, Rio; Mi, 21 Uhr, Astor Arri) ein Filmprogramm zusammengestellt, das die Altmeister nun mit dem wilden Nachwuchs konfrontiert.

Panelgespräch am Dienstag

Spannend dürfte in diesem Zusammenhang auch der Dienstag werden, wenn um 20 Uhr im Museum Brandhorst ein kostenfreies Panelgespräch mit den Regisseurinnen Ruth Paxton und Chloe Okuno stattfindet. Okuno bringt ihren bereits in den USA hochgelobten Psychothriller "The Watcher" (Sa, 20 Uhr, City) nach München mit, der eine ganz andere, subtile Form von "Body Horror" präsentiert. Okuno orientiert sich im Beschreiben der zunehmenden Isolation ihrer weiblichen Hauptfigur an Roman Polanskis "Rosemaries Baby" und an Darren Aronofskys "Black Swan".

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Paranoia und Desorientierung

In einem finster-morbiden Bukarest entwickelt die sinnsuchende Schauspielerin Julia (Maika Monroe) an der Seite ihres zumeist abwesenden Mannes Francis (Karl Glusman) zunehmende Gefühle von Paranoia. Wer ist der unheimliche Mann am Fenster gegenüber? Stalkt er Julia auch oder bildet sie sich das alles nur ein? Die zunehmende Desorientierung, die auch durch ein kaltes, unempathisches Umfeld verstärkt wird ist ein zentrales Thema dieses Films - und des "Body Horrors".

Science-Fiction-Groteske

Dass bei der Transformation des eigenen Ichs, sei sie psychisch oder mehr physisch motiviert, auch ein augenzwinkernder-Ansatz möglich ist, illustriert "Dual" (Mi, 21 Uhr, Sugar Mountain; Do, 22 Uhr, Rio) von Riley Stearns. In dieser Science-Fiction-Groteske darf und kann man sich in der Zukunft klonen, aber nur wenn man selbst von einer tödlichen Krankheit gezeichnet ist. Wie schwer das geklonte Gegenüber dann aber zu ertragen ist, wenn man durch Zufall doch überlebt, zeigt dieser Film mit bösem Witz.

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