Bedrohlich: Die AZ-Kino-Kritik zu "Empörung"
„Empörung“: Das Drama um Verstand, Gefühl und Vorurteil übertrifft Philip Roths Vorlage.
Es ist mutig, einen 15-minütigen Dialog ins Zentrum eines Films zu stellen, einen Dialog zwischen zwei ungleichen Partnern: dem Direktor eines protestantischen Colleges im Mittleren Westen und einem Metzgerssohn aus Newark. Es ist aber grandios, wenn diese 15 Minuten die Zuschauer packen und die Stimmung des Filmes beklemmend komprimieren.
James Schamus, Produzent und Drehbuchautor von „Tiger and Dragon“ und „Brokeback Mountain“, wagt sich in seinem Regiedebüt an die Romanverfilmung von Philip Roths „Empörung“ von 2008 und übernimmt dabei geschickt die elegante, Hochglanz polierte und klassische Ästhetik des Autors.
Marcus (Logan Lerman) ist dieser junge Student, der der zwanghaften Fürsorge seiner Eltern und der drohenden Einberufung in den Koreakrieg entfliehen will. Doch genau dort, wo er intellektuelle und individuelle Freiheit sucht, erlebt er Unterdrückung, Ausgrenzung, Bigotterie. Als atheistischer Jude weigert er sich auf dem College, Gottesdienste zu besuchen, ist aber fleißig und begabt, was ihn in der von Verschwörungstheorien und Kommunistenhass geprägten, repressiven McCarthy-Ära verdächtig macht.
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Marcus ist kein Rebell. Er ist ein introvertierter junger Mann, der sein Studium mit Ernsthaftigkeit verfolgen will und für seine Ideale einsteht. Doch Kommilitonen und der Direktor (großartig selbstgerecht: Tracy Letts), der inquisitorisch auf den Studenten einredet, werten Marcus’ Verhalten als subversiv, dabei ist er moralisch und politisch aufrichtig, unabhängig, freiheitsliebend: in anderen Zeiten amerikanische Ideale.
Akribisch widmen sich Schamus Kulisse und Kostümen. Da sind das völlig mit schweren Möbeln, Trophäen und Büchern überladene Büro des Direktors, die adrette Garderobe mit schwingenden Petticoats von Marcus’ Freundin Olivia, einem freizügigen labilen Mädchen, das Alkoholentzug und Selbstmordversuche hinter sich hat.
Schamus wagt ein klassisch inszeniertes, üppig ausgestattetes Dialog-Drama. Und auch wenn der 57-Jährige die Zeit nicht in Ansätzen miterlebt hat wie der inzwischen 83-jährige Roth, so gelingt es ihm, die repressive Atmosphäre spürbar zu machen.
Kino: ABC, Monopol Regie: James Schamus (USA, 110 Min.)
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