Kritik

"Ballade von der weißen Kuh": Verzweifelter Kampf

"Ballade von der weißen Kuh": Eine bewegende Geschichte einer selbstbewussten Frau im Iran, die sich gegen soziale Missstände und das korrupte System einsetzt. Ab Donnerstag im Kino.
Margret Köhler |
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Die Regisseurin und Hauptdarstellerin Maryam Moghaddam.
Die Regisseurin und Hauptdarstellerin Maryam Moghaddam. © Weltkino

München - Der Iran ist "Spitze". Jedenfalls, wenn es um vollstreckte Todesurteile geht. Da sorgt dieses Land für einen traurigen Rekord. Laut Amnesty International wurde 2020 dort mindestens 246 Mal die Todesstrafe vollstreckt, dazu kommt eine hohe Dunkelziffer.

"Ballade von der weißen Kuh": Beginn mit Metapher für das Todesurteil 

Zum Auftakt des Filmes von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha sieht man ein surreales Tableau: Da steht eine weiße Kuh mitten in einem riesigen Gefängnishof, am Rande schwarz gekleidete Gestalten - eine Metapher für einen zum Tode verurteilten Unschuldigen und Quelle für den Film. Titel und Bild beziehen sich auf eine der längsten Suren im Koran. Denn trotz modernen Lebens im Iran basieren die Gesetze auf der islamischen Scharia.

Hinrichtung nach Fehlurteil: Kampf gegen das System

Nach der wurde im Spielfilm "Ballade von der weißen Kuh" auch Minas Ehemann Babak vor einem Jahr hingerichtet. Ein Fehlurteil wie sich herausstellt. Die Witwe Mina traut sich was. Sie will mehr als den ihr angebotenen Blutzoll und eine lahme Entschuldigung. Die Verantwortlichen sollen Farbe bekennen und sich nicht hinter Paragrafen verstecken. Doch die stellen sich stur, bedauern den Irrtum, reden sich damit heraus, dass es eben Gottes Wille war.

Die Mutter einer kleinen gehörlosen Tochter arbeitet in einer Milchfabrik, ohne männliche Begleitung ist sie quasi unsichtbar. Als eines Tages ein Fremder vor der Tür steht und sich als Freund des Getöteten vorstellt, Schulden begleichen möchte und sich im Alltag um sie kümmert, schöpft Mina Vertrauen, glaubt an eine Wende zum Guten. Bis sie erfährt, wer er ist: einer der beteiligten Richter, der ihr aus schlechten Gewissen hilft. Eine Katastrophe bahnt sich an.

Psychodrama mit Metaphern und Doppeldeutigkeiten

Metaphern und Doppelbedeutungen gehören zur persischen Kultur, insbesondere in Literatur und Poesie. Das Regieduo Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam (letztere übernahm auch die Hauptrolle) greift diese Kunst auf, nutzt sie als Roten Faden. Als Inspiration für das stille, psychologisch packende und streng strukturierte Drama diente das wahre Schicksal von Moghaddams Mutter.

Sehr subtil erzählen die beiden von einem Land in Angst, in dem fundamentale Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen getreten werden, Frauen Gewalt und Missachtung durch die Gesellschaft ausgeliefert sind, Alleinstehenden der soziale Abstieg droht.

So verliert Mina nach Rezas Besuch aus "moralischen" Gründen ihre Wohnung, nur die Anwesenheit des Schwagers im Haus ist erlaubt. Ihr Wunsch, eine Unschuldsanzeige zu veröffentlichen, wird rüde abgeschmettert. Und ein Richterkollege behauptet ganz lapidar: "Es gibt keinen Fehler im Heiligen Koran". Eine Floskel, die alle Zweifel am Rechtssystem ausräumt und jeglichen gesellschaftlichen Fortschritt hemmt.

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Gewagte Erzählung von einer selbstbewussten Frau im Iran  

Die minimalistische Kamera konzentriert sich oft auf Nahaufnahmen, fängt jede Bewegung von Minas Gesichts ein, Trauer, Enttäuschung, mal ein scheues Lächeln. Es geht um Schuld, Sühne und Vergebung, um die Lücke zwischen Recht und Gesetz, um die Forderung nach Gerechtigkeit.

Regimekritische Regisseure wie Mohammad Rasoulof ("Doch das Böse gibt es nicht") oder Jafar Panahi ("Taxi Teheran") haben Ausreise- und Berufsverbot, stehen teilweise unter Hausarrest. Da ist es mutig von den Filmemachern, trotz Zensur die religiöse Kontrolle zu attackieren, die wie Blei über dem Land liegt und offen von einer selbstbewussten, ungewöhnlichen Frau zu erzählen.


K: City, Isabella sowie Arena, Maxim (auch OmU) und Theatiner (OmU), R: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha (IR/F, 106 Min.)

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