AZ-Kritik zu Timm Thaler oder das verkaufte Lachen von Andreas Dresen

"Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" ist als Buch wie als Fernsehserie ein Klassiker. Jetzt kommt die Geschichte ins Kino.
von  Cordula Dieckmann
Timm (Arved Friese) lässt sich von Lefuet (Justus von Dohnányi) sein Lachen abkaufen.
Timm (Arved Friese) lässt sich von Lefuet (Justus von Dohnányi) sein Lachen abkaufen. © 2016 Constantin Film Verleih GmbH / Gordon Muehle

Die ZDF-Serie war 1979 Kult. Kaum ein Kind, das die Folgen nicht gebannt verfolgte. Thomas Ohrner wurde berühmt mit der Rolle des Jungen Timm Thaler, der sein Lachen an den bösen Baron verkaufte und im Gegenzug jede Wette gewann.

Mehr als 35 Jahre später kommt das Abenteuer nach dem Kinderbuchklassiker von James Krüss nun in einer Neuinterpretation des Grimmepreisträgers Andreas Dresen ("Halt auf freier Strecke") ins Kino. "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" ist feinstes Kinderkino, randvoll mit Fantasie, Spannung und verrückten Ideen und mit hervorragenden Schauspielern, allen voran Arved Friese als Timm und Justus von Dohnányi als böser Baron Lefuet.

Der Film hat das Zeug zum Klassiker

Anders als in der TV-Serie kurvt Timm Thaler nicht mit dem Skateboard durch die Gegend. Die Produktion von Oliver Berben orientierte sich in dieser Hinsicht an der Romanvorlage, die in den 1920er Jahren spielt. Während Krüss seinen Buchhelden auf der Suche nach dem teuflischen Baron auf eine Schiffsreise schickt, landet Timm im Kinofilm in einem Grand Hotel, einer fantastischen, märchenhaften Welt voller bizarrer Figuren.

Timm lebt mit seinem Vater in einer ärmlichen Gasse. Regelmäßig besuchen sie die Pferderennbahn, wo sie stets auf das falsche Pferd setzen und vom großen Gewinn nur träumen können. Als der Vater stirbt, will ihm Timm einen teuren Gedenkstein aufs Grab setzen lassen. Da kommt das Angebot des zwielichtigen Barons Lefuet gerade recht: Verkaufe mir dein Lachen, dafür gewinnst du jede Wette.

Nach anfänglichen Skrupeln lässt sich Timm darauf ein. Aus dem fröhlichen Jungen mit dem ansteckenden, herzlichen Gelächter wird ein freudloser Zeitgenosse, der in komischen Momenten nicht mehr als ein abstoßendes Krächzen hervorbringt. Sogar seine beste Freundin Ida (Jule Hermann) wendet sich von ihm ab. Bald merkt Timm, dass sein Leben sehr einsam und unerfreulich ist. Er will sein Lachen zurück, doch darauf will sich der mächtige Baron nicht einlassen.

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Der Film von Regisseur Dresen hat das Zeug zum Klassiker, eine moderne Version alter Geschichten: Etwa von Johann Wolfgang von Goethe "Faust" mit dem Teufelspakt. Oder von Adalbert von Chamissos Märchen "Schlemihl", in dem der Teufel den Schatten eines Mannes kauft.

Der neue "Timm Thaler" ist lustig, spannend und dabei voller Wärme und starker Gefühle. Für Komik sorgen Lefuets speichelleckerische Gehilfen Behemoth (wunderbar: Axel Prahl) und Belial (Andreas Schmidt), die von den Aufträgen ihres launischen Gebieters heillos überfordert sind. Von Dohnányi ist in dieser Rolle der personifizierte Teufel, eine herrliche Mischung aus Skrupellosigkeit, Größenwahn und Aberwitz.

Ein Glücksgriff ist Arved Friese ("Der Nanny"). Sein Lachen ist erst so unbekümmert, sein Missmut und seine Verzweiflung später bedrückend. Wunderbar auch Charly Hübner als hilfsbereiter Barmann Kreschimir und Nadja Uhl als hübsche Hausdame des Grand Hotels. Sogar für Gastauftritte konnte Dresen prominente Schauspieler engagieren: Harald Schmidt als Rennbahnsprecher, Milan Peschel als Grabredner und Thomas Ohrner, für viele auf ewig verbunden mit der Rolle des Serien-Timms.

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Besonders schön ist, dass der Film immer von der Warte der Kinder aus erzählt und gänzlich ohne Effekthascherei auskommt. Die Geschichte zieht in ihren Bann, mit ihrer Fantasie und ihrer Vielschichtigkeit. Und es gibt eine Moral, einleuchtend und ohne erhobenen Zeigefinger: Freundschaft und Liebe sind wichtiger als Geld. Da sitzt Timm im Traumzimmer mit Spielzeugeisenbahn und allem Luxus. Als Ida kommt, sind sie sich völlig fremd. Denn das Mädchen mit ihrem feinen Gespür kann mit diesem seelenlosen Timm nichts anfangen. Er gehört dem Teufel und den Verlockungen des Konsums.

Eine Erkenntnis, die auch Erwachsene zum Nachdenken bringt, etwa wenn Lefuet sanft lächelnd von seiner Geschäftsidee schwärmt, in Afrika Grundwasser in Flaschen zu füllen und den Armen für teures Geld zu verkaufen. Kapitalismus in Reinform, den schon Krüss (1926 bis 1997) in seinem 1962 erschienenen Werk anprangerte. Daran dürfte sich wenig geändert haben – bis heute ist Baron Lefuet wohl ziemlich gut im Geschäft.


Regie: Andreas Dresen, D 2016, 102 Min

Kinos: CinemaxX, Leopold, Mathäser, Monopol, Royal, Solln, Grafing, Gräfelfing

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