AZ-Kinokritik: "Allied - vertraute Fremde" – Mit Casablanca-Flair

Agenten alter Schule: Brad Pitt und Marion Cotillard in „Allied - Vertraute Fremde“ – die AZ-Kritik.
von  Michael Stadler
Stilecht: Der Offizier Max Vatan (Brad Pitt) soll einen Nazi-Botschafter töten.
Stilecht: Der Offizier Max Vatan (Brad Pitt) soll einen Nazi-Botschafter töten. © Paramount Pictures Germany

Mit einem eleganten Schweben zwischen Himmel und Wüstensand beginnt „Allied - Vertraute Fremde“. Man kennt dieses Schweben aus anderen Filmen von Robert Zemeckis. Es steht manchmal für den Zustand des Menschen zwischen Schicksal und Zufall und immer für eine fließende Art des Filmemachens.

Statt einer windbewegten Feder wie in „Forrest Gump“ lässt Zemeckis nun die Stiefel eines Fallschirmspringers sachte ins Bild gleiten, im Hintergrund zeigt sich warm die Sonne am Horizont. Der Springer wird in seinem Fall vom Sand gestoppt. Ein Offizier ist er. Es ist das Jahr 1942. Nach Casablanca geht die Reise des Offiziers, was, zusammen mit dem Jahr, sofort Assoziationen an den Klassiker „Casablanca“ weckt, an Bogart und Bergman, an die große, unerfüllte Liebe, wie es ein Hollywoodmelodram braucht.

Zemeckis träumt in seinem neuen Film genau von diesem Kino. Das Drehbuch schrieb Steven Knight, der derzeit sehr gefragt ist, auch als Regisseur: 2013 drehte er „No Turning Back“, eine Solo-Show für Tom Hardy, der als Bauleiter den ganzen Film lang im Auto sitzt und auf der Fahrt von Birmingham nach London per Telefon mit schweren familiären und beruflichen Entscheidungen jonglieren muss. Ähnlich prekär vermischen sich Privates und Pflicht nun in „Allied“.

Der Blick der Öffentlichkeit ist überall

Denn der Offizier – er kommt aus Kanada, heißt Max Vatan (Brad Pitt) und spioniert für die Alliierten – soll in Casablanca einen Nazi-Botschafter töten und tut sich dafür mit Résistance-Kämpferin Marianne Beausejour (Marion Cotillard) zusammen. Bevor sie zur Tat schreiten, müssen sie vor ihrer Umwelt so tun, als ob sie ein Ehepaar sind, sogar auf dem Dach ihres Hotels, weil die Nachbarin jederzeit herüberlinsen kann – der Blick der Öffentlichkeit ist überall…

Und es gibt ja auch was zum Schauen: Brad Pitt und Marion Cotillard verströmen als Agenten guten alten Hollywoodglamour. Es entsteht ein Doppelspiel, aber nicht unbedingt fürs Vaterland. Dass er ihr seine Liebe bekunden müsse, fordert Marianne von Max: damit sie glaubwürdig in ihren Figuren bleiben. Und selbst das Küssen gehört zur Maskerade dazu.

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Wo die Rolle aufhört und die Realität anfängt, haben womöglich auch Pitt und Cotillard beim Dreh nicht ganz hinbekommen. Ihre Liaison könnte ja gar das Traumpaar Brangelina gesprengt haben. Im Film jedenfalls übernehmen die Gefühle schnell die Regie: Nach dem Attentat heiraten Max und Marianne, im Londoner Bombenhagel kommt gar ein Kind zur Welt.

Dann könnte der Film weiterhin vor sich hingleiten, besonders dank der Kamera von Don Burgess, doch zum Spionage-Genre gehört das Zweifeln an den Identitäten dazu. So bekommt Max den Verdacht eingeimpft, dass Marianne, jetzt Hausfrau und Mutter, in Wahrheit Doppelagentin ist.

Was dann folgt, ist eine gemäßigt aufregende Jagd nach der Wahrheit. Das Finale spielt sich am Flughafen ab – an so einem Ort haben sich auch Bogart und Bergman letztmals in die Augen geblickt. Und der Wunsch ist erneut da, abzuheben, weiter zu schweben, weil der Boden einfach zu hart ist.


Kino: Münchner Freiheit, Rio, Cinemax, Mathäser (auch OV), Museum (OV) R: Robert Zemecki (US,125 Min)

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