AZ-Kinokritik: "Nocturnal Animals" - Du hättest an uns glauben müssen!

"Nocturnal Animals": Tom Ford hat einen Thriller gedreht, in dem sich ein Ex zwanzig Jahre später wieder in Erinnerung bringt.
Adrian Prechtel |
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Amy Adams als Frau, die alles hat und doch merkt, dass ihr Entscheidendes fehlt.
Merrick Morton/Focus Features Amy Adams als Frau, die alles hat und doch merkt, dass ihr Entscheidendes fehlt.

Burlesque-Tänzerinnen, die Cheerleader-Glitzerpuscheln schwingen – in Nahaufnahme. Aber sie sind nicht jung und schön, sondern älter und dick. Erst Minuten später wird klar, wo man sich als Zuschauer befindet. Konfetti und Wunderkerzen feiern eine Performance.

Man ist auf einer provokanten, hippen Kunstvernissage im superreichen Los Angeles. Nächtlich wird die High-Society-Galeristin (Amy Adams) zufrieden mit dem Medien- und Besucher-Echo, aber innerlich leer und unbefriedigt in ihre Villa zurückfahren, die ebenso stilisiert steril ist wie ihre Galerie – und ihr Leben.

Ein intelligenter Liebes-Thriller, fantastisch stilisiert

Tom Ford, der als Designer bei Gucci und Yves Saint Laurent berühmt wurde, zeigt nach seinem Debütfilm "A Single Man" erneut: Man braucht das Kino nicht immer wieder neu erfinden. Es funktioniert wunderbar, wenn man ein paar Sachen richtig macht: große Bilder wie die raue texanische Landschaft, Motel-Leuchtreklamen, Interieurs, die die Psyche spiegeln: also optische Opulenz, die nur auf einer großen Leinwand wirken kann.

Aber bei allem suggestiven Bilderleuchten oder unheimlichen Glühen erzählt Tom Ford in "Nocturnal Animals" vor allem eine packende Geschichte zweier Ex-Liebenden.

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Und wenn sich im Laufe des Filmes die Gründe für das Scheitern vor zwei Jahrzehnten langsam aufdecken, kommt noch eine intelligente sozial-kritische Erkenntnis hinzu: Oberschichts-Geldadel mischt sich nicht, und schon gar nicht mit Künstlertum – außer natürlich der Künstler hat es geschafft, selbst reich und erfolgreich zu werden. So waren sie und er (Jake Gyllenhaal) am Ende ihres Studiums gescheitert, weil ihr Klassendünkel – trotz aller Emanzipationsversuche – zu stark war. Seine vage Aussicht auf schriftstellerischen Erfolg war ihr letztlich zu unsicher. Und sie selbst wiederum war zu feige, ihren Weg als angehende Künstlerin gegen die Familienerwartungen durchzuziehen. Und in einer Schlüsselszene wird sie erkennen, dass ihre Ehe heute genauso verlogen ist, wie die ihrer Eltern. Nur hatte sie früher dafür nur Verachtung übrig gehabt, jetzt müsste daraus Selbstverachtung werden.

Unerwartet erhält sie ein Päckchen. Es ist das neue Romanskript ihres Ex-Lebensgefährten. Darin wird eine junge Familie nachts auf einer einsamen Landstraße von brutalen Typen zum Anhalten gezwungen: der Beginn äußerst beklemmender Filmminuten.

Die beiden Handlungsstränge – ihr Leben und sein Krimi, den sie liest – vermischen sich immer mehr. Und es wird klar, dass sein Roman "Nocturnal Animals" eine literarisch verarbeitete Rachegeschichte ist: ein packender Thriller, der Elemente der abgebrochenen gemeinsamen Vergangenheit weitergesponnen hat. Auch weil der Krimi meisterhaft ist, wird er ein Spiegel für das, was sie aufgegeben hat, als sie ihren damaligen Schriftstellerfeund verließ. Kunst wird zum Katalysator, das Leben neu zu überdenken.

So ist Tom Ford ein großartiger Film gelungen, der Schönheit, harten Krimi und intelligente psychologische Entlarvung kombiniert – ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann.


Kino: Arri, Leopold, Mathäser, City (auch OmU), Isabella (OmU) Regie: Tom Ford (USA, 117 Min.)

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