„Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“: Das Nichts in schönsten Farben

„Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ kann nicht an die Fantasie des Vorgängers anknüpfen.
von  Martin Schwickert
Alice (Mia Wasikowska) versucht dem Verrückten Hutmacher (Johnny Depp) zu helfen.
Alice (Mia Wasikowska) versucht dem Verrückten Hutmacher (Johnny Depp) zu helfen. © WDS

Vor sechs Jahren landete Tim Burton mit „Alice im Wunderland“ seinen bisher erfolgreichsten Film. Das weltweite Einspielergebnis von über einer Milliarde Dollar war allerdings nicht nur dem Regiegenie geschuldet, sondern vor allem der frisch hereinbrechenden 3D-Euphorie. Nur ein Jahr nach Camerons „Avatar“ war „Alice im Wunderland“ der zweite Blockbuster, in dem das moderne Hi-Tech-Kino stolz präsentierte, was es in der dritten Dimension so alles drauf hatte.

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Während Burtons schrill-bunt, mäanderndes Kinomärchen dem bekennenden Nonsens-Geist der Romanvorlage von Lewis Carroll aus dem Jahre 1865 weitgehend treu blieb, verliert nun das unvermeidliche Sequel „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ den Glauben an die frei fluktuierende Narration. Aus Carrolls Romanfortsetzung borgt sich Drehbuchautorin Linda Woolverton („Maleficent“) nur die Exposition und eine Hand voll Figuren, um sich dann in einem standardisierten Zeitreiseplot zu ergehen.

Von Abenteuern auf hoher See und in fernen Ländern kehrt die selbstbewusste Alice (Mia Wasikowska) ins viktorianische England zurück, nur um zu erfahren, dass ihre Mutter Haus und Schiff verpfändet hat, um die Tochter in ein bürgerlich damenhaftes Leben hineinzuzwingen. Grund genug, durch einen Spiegel hindurch zurück ins Wunderland zu steigen, wo die alten Freunde voller Sorge sind, weil der verrückte Hutmacher (Johnny Depp) an schweren Depressionen leidet und über den Verlust seiner Familie nicht hinwegkommen kann. Deshalb macht sich Alice auf zu einem Mann namens Zeit (Sacha Baron Cohen), um das Rad der Geschichte zurückzudrehen.

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Regisseur Bobin („Die Muppets“) hat den ganzen Zauberkasten seines Vorgängers Tim Burton, der hier nur noch als Produzent fungierte, übernommen: Die Kostüme sind spektakulär, die Farben prächtig, die Effekte beeindruckend. Aber das überbordende Design und das protzige Digitalfeuerwerk streichen die Ideenarmut des Routineplots nur noch deutlicher heraus.

Abgeschmackt sind hier nicht nur der austauschbare Zeitreiseplot, sondern auch die psychologischen Motivationen der Figuren. Am Schluss wird alles wieder schön eingerenkt und der Wert intakter Familienbeziehungen und Freundschaft platt herausgestrichen. Vom freien Geist Carroll’scher Fantasie und Nonsenswelten bleiben „Hinter den Spiegeln“ nur oberflächlichen Reflexe übrig, die nicht von den einfallslosen Erzählformaten und biederen Botschaften ablenken können.


Kinos: Cinemaxx, Leopold, Mathäser, Royal sowie Cinema und Museum Lichtspiele (OV) R: James Bobin, (USA, 133 Min)

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