Gasteig-Sanierung: Viel Geld für wenig Neues

Die grün-rote Koalition im Rathaus will bei der Sanierung des Gasteig sparen und die Kosten deckeln.
Robert Braunmüller
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Die gläserne Kulturbühne soll die Philharmonie mit dem Bibliothekstrakt des Gasteig verbinden und Raum für Vermittlungsarbeit bieten. Ob sie allerdings jemals gebaut wird, ist angesichts sinkender Steuereinnahmen unsicher.
Die gläserne Kulturbühne soll die Philharmonie mit dem Bibliothekstrakt des Gasteig verbinden und Raum für Vermittlungsarbeit bieten. Ob sie allerdings jemals gebaut wird, ist angesichts sinkender Steuereinnahmen unsicher. © Mir/Henn Architekten/Gasteig

München - Beim Stadtmuseum wäre der gleiche Betrag eine Sensation. Aber dieses überfällige Sanierungsprojekt ist bereits der angespannten Haushaltslage geopfert worden. Auf mehr als die doppelte Summe soll nun laut einem gemeinsamen Antrag der grünroten Rathauskoalition die Sanierung des Gasteig gedeckelt werden: 450 Millionen Euro darf sie kosten, aber nicht mehr. Das bedeutet ein Minus von 15 Prozent. Was das konkret bedeutet für die Modernisierung der Philharmonie, des Carl-Orff-Saals, der Stadtbibliothek, der VHS und der Musikhochschule, blieb unklar. 

Der Schwarze Peter liegt beim Gasteig und beim zuständigen Referat

Die Fraktionsvorsitzenden Florian Roth (Die Grünen/Rosa Liste) und Anne Hübner (SPD/Volt) wollten sich nicht auf Details festlegen. Der Schwarze Peter liegt nun beim Gasteig und dem zuständigen Referat für Arbeit und Wirtschaft. Erste Vorschläge für Einsparungen sollen bereits im Dezember vorliegen, um den engen Zeitplan für die Gasteig-Sanierung nicht zu gefährden.

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Auch ohne Corona und wegbrechende Steuereinnahmen hätte im Herbst eine Abstimmung über die 25 Einzelbausteine des Sanierungskonzepts angestanden, die sogenannten "Steckbriefe". Diese finale Entscheidung hatte sich der Stadtrat vorbehalten. Streichungen und Kürzungen in einzelnen Teilbereichen des Wunschprogramms der Gasteig-Nutzer waren wegen der steigenden Kosten ohnehin erwartet worden.

Florian Roth: "Die Kosten müssen moderat sein"

Jetzt könnten die Einschnitte allerdings schmerzhaft werden. Ob die alle Bereiche verbindende "Kulturbrücke" zwischen der Philharmonie und dem Bibliothekstrakt wirklich kommt, lässt sich gegenwärtig ebenso wenig vorhersagen wie die Zukunft des Carl-Orff-Saals und der Bibliothek, die sich in einen kommerzfreien Raum des Lesens, Lernens und Verweilens verwandeln soll. 

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"Wir wollen gemeinsam das größte Kulturzentrum Europas modernisieren", sagt der Grünen-Fraktionschef und Kultursprecher Florian Roth. "Aber die Kosten müssen moderat sein und in einem angemessenen Rahmen bleiben." Die SPD-Kultursprecherin Julia Schönfeld-Knor nennt den Gasteig ein "Herzensanliegen". 450 Millionen Euro seien eine "sehr große Summe", mit der eine gute Lösung für die Philharmonie, die VHS und die Stadtbibliothek gefunden werden könne."

Kann der Carl-Orff-Saal eine Brücke zur freien Szene schlagen?

Die Grünen waren ursprünglich mit der CSU Anhänger einer Generalsanierung mit grundlegender Neukonzeption des Kulturzentrums. Die SPD favorisierte dagegen eine Grundsanierung der Haustechnik mit akustischer Verbesserung der Philharmonie. Nun haben sich die Koalitionspartner aufeinander zubewegt.

Für 450 Millionen Euro bekommt man nach gegenwärtigem Stand jedenfalls mehr als die ursprünglich von der SPD favorisierte Version. Mit Kreativität und Abstrichen bei Maximalforderungen mag das zu schaffen sein. Aber die Gefahr einer Verwässerung besteht, etwa beim heute schwer nutzbaren Carl-Orff-Saal, der zukünftig vom Münchener Kammerorchester genutzt werden soll und mit einer variablen Bühne eine Brücke zur freien Szene schlagen könnte.

Wird der Gasteig an die Anforderungen der Gegenwart angepasst?

Leider haben weder die Bibliothek noch der Carl-Orff-Saal eine starke öffentliche Lobby. Bei der SPD gewinnt man immer wieder den Eindruck, dass ihr Stadtteilkulturzentren im Grunde mehr am Herzen liegen als Veränderungen am Gasteig, dessen Status quo unter Christian Ude jahrzehntelang gegen jede Kritik verteidigt wurde. Deshalb wurde auch allenfalls mal eine Wand frisch gestrichen.

Wenn nun die Kosten wie üblich explodieren, wird für viel Geld zwar die Haustechnik saniert und an der Philharmonie herumgedoktert, ohne dass die grundsätzlichen Mängel des Baus beseitigt werden. Womöglich wird dann viel Geld ausgegeben, ohne den Gasteig an die Anforderungen der Gegenwart anzupassen.

Die Fraktionen Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt wollen am Vertrag mit dem Architekturbüro Henn festhalten und nach den guten Erfahrungen beim Neubau des Volkstheaters einen Generalunternehmer beauftragen. Am Sendlinger Interim wird nicht gespart, obwohl auch hier neuerdings von 150 statt bisher geplanten rund 100 Millionen Euro die Rede ist.

Beatrix Burkhardt: "Das ist an Arroganz kaum zu überbieten"

Der städtische Kulturreferent Anton Biebl äußerte "vollstes Verständnis" für die Forderung der Rathauskoalition, das Sanierungskonzept zu überprüfen und Alternativen abzuwägen. Die oppositionelle CSU sieht den Spardruck auch, kritisiert aber die Vorgangsweise. "Wenn wir jetzt bei der Sanierung sparen, zahlen wir später drauf", so Fraktionschef Manuel Pretzl. "Derart zukunftsweisende Investitionen dürfen wir nicht komplett der Corona-Krise unterordnen." Die kulturpolitische Sprecherin Beatrix Burkhardt kritisiert, dass die Stadtregierung ihre Pläne verkündet habe, ohne mit den Nutzern des Gasteig zu sprechen. "Das ist an Arroganz kaum zu überbieten. Gerade die Grünen, die immer von Transparenz und Partizipation reden, praktizieren das genaue Gegenteil."

Bei der Pressekonferenz im Rathaus erneuerte Florian Roth sein Gesprächsgebot an den Freistaat, ein gemeinsames Konzept für die Konzertsäle Münchens zu entwickeln. Denn mit dem staatlichen Neubau im Werksviertel, dem neuen Gasteig, dem Sendlinger Interim und dem Herkulessaal drohen Überkapazitäten bei stagnierenden Besucherzahlen. Antworten vom Freistaat stehen aus, die Mehrheit im Landtag für das Konzerthaus scheint zu bröckeln.

Weil es sich um eine Chefsache des Ministerpräsidenten handelt, erwartet Roth hier eine Entscheidung erst nach der Bundestagswahl. Welche Rückwirkungen ein Ende des Werksviertel-Projekts auf den Gasteig und die Sanierung der Philharmonie hätte, lässt sich derzeit nicht einschätzen. Falls sich das vom Büro des Elbphilharmonie-Akustikers Yasuhisa Toyota gestaltete Interim in Sendling als akustisch gut erweist, werden mit Sicherheit die Karten neu gemischt.

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3 Kommentare
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  • Leo99 am 11.11.2020 23:14 Uhr / Bewertung:

    Die Künstler lässt man darben und speist sie seit Monaten mit leeren Versprechungen ab, während man einen erst gut dreißig Jahre "jungen" Kulturtempel, der - ich nutze und kenne ihn seit Jahren sehr gut über die VHS, die Stadtbibliothek und bei Konzerten in der Philharmonie oder in den kleineren Sälen - noch gut in Schuss ist, meint, großspurig umbauen zu müssen. Wie viele Experten und auch die SPD letztes Jahr noch empfahlen, ist nur eine "Renovierung im Bestand" (Erneuerung der sanitären Anlagen und der Technik-Infrastruktur wo nötig) sinnvoll. Nun wird jedoch ein völlig überzogener, sündteurer Groß-Umbau klein geredet in der Hoffnung, dass niemand drauf kommt, dass hier eine verschwenderische Maßnahme beschlossen wurde. Für die Sanierung der maroden Sanitäranlagen in Grundschulen und im Anton-Fingerle-Zentrum meint man hingegen, kein Geld zu haben. Ein Armutszeugnis für "unsere" Stadträte. Die sollten sich alle schämen.

  • Giesinger Britt am 11.11.2020 22:11 Uhr / Bewertung:

    Am Gasteig wird doch nur noch gearbeitet, weil die KP sich hier ein Denkmal setzen will.

  • eule75 am 11.11.2020 19:49 Uhr / Bewertung:

    Glas, Glas, Glas, das ist doch eine ewige Putzerei!

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