Wiedereröffnung mit Söder und Hasses "Artaserse"

Die Bayerische Theaterakademie eröffnet das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth wie 1748 neu mit Hasses „Artaserse“
von  Robert Braunmüller
"Artaserse" im Markgräflichen Opernhaus.
"Artaserse" im Markgräflichen Opernhaus. © Jean-Marc-Turmes

Die schönste Restaurierung bleibt unbemerkt. Für 30 Millionen Euro wurde das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth renoviert. Es ist heller geworden. Die rahmenden Säulen des Bühnenportals strahlen in Lindgrün. Aber die Risse im Holz wurden nicht zugespachtelt. Unbemalte Stellen sind leer, und die in den 270 Jahren seit 1748 abgewetzten Malereien an Treppenabsätzen hat man auch nicht aufgefrischt.

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Das ist neuer Denkmalschutzstil: Bewahren, nichts ergänzen. Vor der Oper erklangen die unvermeidlichen Festreden. Ministerpräsident Markus Söder, zuvor als Finanzminister Chef der für die Restaurierung zuständigen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, schwelgte im Lokalpatriotismus: „Ein Freudentag für Bayern, ein Freudentag für Franken und ein besonderer Tag für Bayreuth“, rief er den geladenen Gästen zu.

Weltniveau lag in der Luft

Er hielt eine Eloge auf den Kulturstandort Bayern und belegte die Bedeutung des Abends durch die Anwesenheit eines extra begrüßten Vertreters der „New York Times“. Weltniveau lag in der Luft.

Die Begleitmusik des Festakts kam, wie schon 1748, aus einer Metropole. Wilhelmine von Bayreuth, die in die tiefste Provinz verschlagene Schwester Friedrichs des Großen, kaufte damals den bereits in Dresden, Ljubljana und Bassano del Grappa erprobten „Artaserse“ des sächsischen Hofkomponisten Johann Adolph Hasse ein. Die gleiche Oper gab es 270 Jahre später nun wieder, dargeboten von Gesangsstudierenden der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der ebenfalls in München ansässigen Hofkapelle unter Michael Hofstetter.

Eine schöne Idee von Bernd Schuster, dem Präsidenten der Schlösserverwaltung, ein altes Theater mit jungen Künstlern wiederzueröffnen. Hans-Jürgen Drescher, der Chef der Theaterakademie, betonte in einer kleinen Rede außerdem die Gemeinsamkeit zwischen Restaurierung und Regie: In beiden Fällen gelte es, alte Schichten abzulösen und zum Original vorzustoßen.

Preussische Familienaufstellung

Doch worin besteht es? In der überlieferten Partitur Hasses, im Text des Wiener Hofdichters Pietro Metastasio oder in einer erst zu rekonstruierenden Idee dahinter?

Der Regisseur Balázs Kovalik entschied sich für Letzteres, angeregt durch die Beobachtung, dass die aus einer schwierigen Familie kommende Markgräfin als Intendantin ihrer Hofoper lauter Text mit traumatisierten Familien ausgesucht hat.
Auf der Bühne saß daher jetzt Wilhelmine persönlich, verkörpert von Anja Silja, der legendären Wagner-Tragödin, Bayreuther Festspiel-Heroine und Geliebten Wieland Wagners. Die brachte gleich auch noch die Aura einer weiteren schwierigen Familie ein.

Die Inszenierung überblendet Hasses „Artaserse“ mit dem Familienkrieg des Soldatenkönigs gegen den Kronprinzen Friedrich und dessen Schwester Wilhelmine. Das funktionierte bis zur Pause, verlor sich dann aber im tragisch raunenden Ungefähr, als Friedrich Wilhelm I. zuletzt in SS-Uniform erschien und das Hohenzollerntrauma für die dunkle deutsche Geschichte verantwortlich gemacht wurde.

Anja Silja ließ sich als Wilhelmine ihr Leben in einem verkleinerten Markgräflichen Opernhaus vorspielen. Das gab die Möglichkeit, barocke Kulissen und Donnermaschinen vorzuführen, die im Original nicht erhalten sind.

In der Oberliga der Originalklangensembles

Briefe Wilhelmines und frisch erfundene Texte waren hart gegen den Gesang geschnitten. Die jungen Sänger hatten teilweise Mühe mit den Koloraturen und der ungünstigen Akustik der offenen Bühne, während die Münchner Hofkapelle davor erneut mit Schwung und einem knackigen Klang bewies, dass sie in der Oberliga der Originalklangensembles angelangt ist.

Die Musik Hasses – stilistisch dem galanten Stil zwischen Händel und der Vorklassik zuzurechnen – lässt mit ihrer Abfolge kalter Bravourarien den Hörer vergleichsweise ungerührt. Nur zwei Klagearien dringen zum Herz des Hörers vor. Sie sind in der Aufführung verbunden mit dem Schicksal des guten Freundes des jungen Friedrich: Hans Hermann von Kattes, dem auf Befehl Königs vor den Augen des Kronprinzen der Kopf abgeschlagen wurde.

Ende der Opernsaison

Im Mai wechselt die Aufführung ins Cuvilliéstheater. In Bayreuth wird sich die Geschichte mehr oder weniger wiederholen, wo der teure Theaterbetrieb nach Wilhelmines frühem Tod sofort wieder eingestellt wurde. 

Die Bayreuther hoffen auf Weltkulturerbe-Touristen. Die werden mit ein paar Konzerten und einer Tonbildschau abgespeist. Wie vor der Renovierung ist da fürchterlichster feministischer Kitsch zu befürchten. Für Opern fehlen die Mittel, und Denkmalschützer scheuen den Theaterbetrieb ohnehin wie der Teufel das Weihwasser.

„Artaserse“ am 11., 13. und 15. Mai, 19.30 Uhr, Cuvilliéstheater, Karten: Staatstheaterkasse am Marstallplatz, Telefon 2185 1920
 

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