Was ist eigentlich Humor? Gerhard Polt im Interview
München - Er sagt gleich, dass er nicht viel Zeit habe. Gerhard Polt muss rüber in die Kammerspiele zum Stück "Ekzem Homo". Dann gibt er auch zu, immer Lampenfieber zu haben, was aber gut sei für die Verdauung. Was auch immer er damit meint. Also sollen wir mit dem Gespräch schnell anfangen? "Ja klar, fangen Sie an. Denn meistens ist ja die Frage früher da als die Antwort. Wenn es sich nicht um vorauseilende Antworten handelt oder beflissen hinterher hinkende Fragen. Soll’s ja alles geben. Vor allem in der Politik."
AZ: Herr Polt, gibt es sowas wie Münchner Humor?
Gerhard Polt: Nein, aber es gibt Karl Valentin, der zum Beispiel in einem Stück vorführt, wie er vor der Inflation und nach der Inflation gelacht hat. Das ist nicht Münchnerisch, sondern menschlich. Es hat ja angeblich drei Begegnungen zwischen Valentin und Hitler gegeben, und bei einer hat Hitler gesagt: "Mein lieber Valentin, ich freue mich immer über ihren Humor." Und der Valentin hat gesagt: "Kann schon sein, aber über Ihren habe ich ehrlich gesagt noch nie gelacht."
Gibt es humorlose Menschen?
Ja, aber das ist ja dann auch wieder komisch. Man weiß, dass es unter den Nazis die Direktive gab, humorvoll zu sein, um sympathischer rüber zu kommen. Aber bei denen hat der Spaß nicht funktioniert und schnell aufgehört.
Gibt es einen englischen Humor?
Ich bin dem persönlich noch nicht begegnet. Und wenn man aktuell den Donald Trump nimmt, dann wird doch auf der ganzen Welt über ihn gelacht und sicher wird es auch in Nepal Karikaturisten geben, die ihn karikieren. Überhaupt ist Humor ein Rätsel. Wenn man jemanden fragt, warum er gerade gelacht hat, kann er es oft gar nicht sagen.
Sie haben gesagt: Humor ist ein Ozean, wie auch die Liebe.
Das macht es so interessant und gleichzeitig schwierig, Humor einzufangen. Ich bin aktiv geworden für ein "Forum Humor und Komische Kunst", weil ich mich bei all den neuen rechten politischen Strömungen gefragt habe: Kann Demokratie überhaupt ohne Humor existieren? Nehmen wir das Thema Humor in der Religion, also Blasphemie, wo Humor vorkommt, wo er offiziell nicht stattfinden soll. Dann wird klar: Humor ist antitotalitär.
Worüber lachen Sie?
Das kann ich so gar nicht sagen, aber es gibt zum Beispiel das weite Feld des historischen Witzes, wie den Toilettenwitz vor 2.000 Jahren: In Pompeji wurden in den Latrinen auch Witze an die Wand gekritzelt. Da wurde eine Inschrift entdeckt: "Du arme Wand, wie bewundere ich, dass du trotz des Blödsinns, den du tragen musst, nicht zusammenbrichst". Man könnte ergänzen: "...vor allem nicht vor Lachen".
Humor ist schön, macht aber viel Arbeit.
Polgar hat gesagt: "Geben S’ mir a Flasche Rotwein und am andern Tag habe ich Ihnen eine Tragödie geschrieben. Aber a Komödie? I weiß net, ob des meine Leber aushält."
Sie werden immer als Co-Inspirator bezeichnet, wenn es um das Haus für den Humor geht. War das Ihre Idee?
Nein, das hat eine lange Vorgeschichte mit der Meisi Grill und ihrer Sammlung von Satirezeichnungen. Aber ich bin mit meiner Frau auf die Viehbank im Schlachthof gekommen, um dort das "Forum für Humor und Komische Kunst" zu machen. Ich habe lieber die Idee beigesteuert und muss nicht organisieren. Die Arbeit haben die anderen. Die müssen das jetzt voranbringen.
Warum fehlt in München ein solches Forum?
Wir haben das Valentin-Musäum oder in Tegernsee das Gulbransson-Museum. Aber es gibt keinen Ort, an dem man alles bündeln kann: ein Forum, wo man Humor erlebt, wenn er stattfindet, wo man Humor zeigt, aber eben auch analysiert. Es wäre ein Forum für Soziologen, Psychologen, Maler, Zeichner, Literaten, Kabarettisten, Filmemacher oder Kasperltheaterbetreiber. Interessant wäre es doch, zum Beispiel bei Siemens zu vergleichen, welche Witze da oben im Vorstand gerissen werden und welche unten im Keller beim Archivar. In so einem Forum könnten auch Leute davon erzählen, wie sie Humor schaffen. Der Witz ist ja: Einer kann auf der Bühne eine Bewegung machen und keiner lacht, er variiert leicht, und das Publikum lacht. Warum? Man kann es nicht sagen, man muss es erforschen. Oder: Mir hat nach einer Vorstellung mal einer ein Buch in die Hand gedrückt, an dem er gearbeitet hatte: "Der Witz in Auschwitz". Darin wurde klar, wie sich Menschen mit Kalauern für Augenblicke aus dem Schrecken gerettet haben. Das ist auch ein interessantes Feld. Es gibt Leute, die sind Experten nur für Flüsterwitze in Diktaturen.
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