Macht er das Ding rein?
Gunther Eckes im AZ-Interview: Er spielte am Hamburger Thalia Theater und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 2011/12 gehört er zum Ensemble des Residenztheaters.
Im Gespräch zeigt sich Gunther Eckes als sympathischer, geerdeter Typ. Vielleicht ist er damit die Idealbesetzung für die Titelfigur des neuen Stücks des Augsburger Autors Michel Decar, das in der Regie von Robert Gerloff im Marstall seine Uraufführung erlebt: Philipp Lahm.
AZ: Herr Eckes, spielen Sie Fußball?
GUNTHER ECKES: Leider nicht. Es ist eine der großen Tragödien meiner Kindheit, dass ich nie ein guter Fußballspieler war. Ich komme aus Biebernheim, einem Dorf im Hunsrück, und da spielt man Fußball. Wenn man dafür zu schlecht ist, hat man ein Problem.
Wie nahmen Sie Philipp Lahm früher wahr?
Es ist toll, was er drauf hat. Man kann nichts Negatives über ihn sagen. Er macht ja alles, was er macht, total richtig – wie die Figur Lahm in Decars Stück.
Haben Sie Aufnahmen von Philipp Lahm studiert?
Natürlich, aber mir zu überlegen, wie ich ihn imitiere, macht keinen Sinn. Das Stück ist keine Biografie, es könnte genauso gut "BRD 2017" oder "Große Koalition" heißen. Die Beschäftigung mit dieser Figur Philipp Lahm bietet Anknüpfungspunkte, über uns, auch über Männer nachzudenken.
Inwiefern?
Michel Decar versucht, eine andere Art von Männlichkeit zu erfinden. Wir bekommen ja mit der MeToo-Debatte all diese toxischen Männer präsentiert. Am Residenztheater haben wir gerade mit Richard III. den toxischsten aller Männer gesehen, einen, der sich die Macht nimmt und dafür Leute umbringt. Demgegenüber steht Philipp Lahm, der sich nicht mit den Klauen den Weg frei haut, sondern gewissenhaft arbeitet, fair bleibt, für sein Team da ist und nie aneckt. Philipp Lahm ist Teflon. Ganz doll Teflon, ja. Aber auch transparent. Und man wird sicher nicht Profi-Fußballer, wenn man nicht sehr ehrgeizig ist, strebsam und fleißig. Decar hat ihn einmal als wandelnden Abgrund bezeichnet, weil man nicht dahinter blicken kann. Da fängt es an: Wenn jemand so gar nichts falsch macht, muss doch irgendwo eine Leiche im Keller liegen. Aber vielleicht ist da kein Abgrund.
Im Stück stellen Reporter Lahm belanglose Fragen. Womit die Medienkritik anfängt?
Ich weiß nicht, ob man von Medienkritik sprechen kann. Lahm sagt immer sehr unverbindliche Dinge. Und die Journalisten bohren selten nach. Lahm interviewt sich in der szenischen Einrichtung im Grunde selbst, es geht eher um eine Art der Selbstbetrachtung.
Wenn Lahm die BRD 2017 verkörpert, dann ist es eine BRD der Durchschnittlichkeit?
Irgendwie schon. Vielleicht kann man aber auch von Ausgeglichenheit sprechen, von innerer Zufriedenheit. Das Stück handelt von einem, der in sich seine Festung hat, der genau weiß, wo er steht. Der von sich sagen kann: Ich weiß, wer die Frau meines Lebens ist. Der Text hat in dieser Konfliktfreiheit etwas sehr Komisches. Er ist total komisch. Aber man darf nicht den Fehler machen, Philipp Lahm auf kabarettistische Art komisch zu machen. Wir nehmen den Text und die Figur sehr ernst.
Das ist Ihr erstes Solo. Damit sind Sie wie ein Elfmeterschütze allein vor dem Tor.
Ja. Entweder macht man das Ding rein oder nicht. Wenn nicht, guckt die gesamte Mannschaft und fragt, warum wolltest denn du den Elfmeter schießen? Im schlimmsten Falle versemmelt man das Finale dahoam.
Macht das noch mehr Angst vor einer Premiere, wenn es keinen Anspielpartner gibt?
Gerade habe ich keine sonderliche Angst, aber etwas Nervosität wird schon noch kommen. Mit Partnern auf der Bühne kann man sich als Spieler selber aufrichten. Diese habe ich nicht. Was ist, wenn ich den Ball schon nach fünf Metern verliere? Aber es gibt natürlich Szenen, in denen ich mich sicher fühle. Ich weiß, da ist eine Boje, die ich ansteuern kann. Es geht vor allem darum, sich den Partner in der Form des Abends zu suchen – und im Publikum.
Wie lange geht der Abend?
90 Minuten. Plus Nachspielzeit.
Wurde Philipp Lahm zur Premiere eingeladen?
Ich gehe davon aus. Ich würde mich über sein Kommen freuen, er kann sich immer melden. Sein Management hat das Stück bekommen. Wir würden auch gern eine Vorstellung vor der Mannschaft des FC Bayern spielen, mit Trainer und Management: Falls Sie diesen Artikel lesen, kommen Sie gerne!
Regisseur Robert Gerloff hat zuletzt einen sehr lustigen "Robin Hood" am Resi inszeniert. Er scheint eine Art Komödienspezialist zu sein.
Er inszeniert schon mit viel Humor, aber verspielt trifft es besser. Und er fordert seine Schauspieler sehr. Neulich habe ich ihn als Felix Magath der Regieriege bezeichnet und er meinte: Morgen wird der Sprinthügel aufgeschüttet und wir proben mit Medizinbällen. Er verlangt viel an Fitness, mental und körperlich, weil er viele Ideen hat und diese ausprobieren will, bevor er wieder einiges aussiebt. Man muss die Spielzüge drauf haben, die er einem einbläut.
Fußball und Theater haben schon viel gemein.
Absolut. Ein Kommilitone an der Hamburger Schauspielschule hat eine lustige Diplomarbeit über den Schauspielerberuf im Vergleich zu dem des Profifußballers geschrieben. Er hat viele Parallelen entdeckt. Passe ich als Spieler mit dem Trainer, sprich, dem Intendanten und den Regisseuren, zusammen? Habe ich einen Spielstil, der fürs Ensemble gut ist? Tut es mir gut, in einer Mannschaft, die nicht in der Champions League kämpft, ein Leistungsträger zu sein oder sitze ich lieber auf der Bank bei Bayern München? Wenn mein Trainer geht, nimmt er mich mit oder ist der neue Trainer einer, der an mir eine neue Art zu spielen entdeckt?
Auch am Resi wird es in eineinhalb Jahren einen Trainerwechsel geben. Suchen Sie nach neuen Mannschaften?
Ich habe den Luxus, dass ich mich gerade auf etwas Vereinnahmendes stürzen darf. Die Flucht in die Arbeit ist schon etwas extrem Gutes. Ich fühle mich mit dem Ensemble sehr wohl und denke jetzt schon mit Wehmut daran, dass das auseinanderbrechen wird. Es reißt einen aber auch aus der Bequemlichkeit, wenn der Chef geht, was ihm übrigens sehr gegönnt ist. Ich habe einen solchen Wechsel schon in Düsseldorf erlebt, als Amélie Niermeyer aufhörte. Viele dachten, der neue Intendant kommt aus Schweden und bringt niemanden mit. Aber dann wurde bis auf drei Schauspieler keiner übernommen. Diese Unsicherheit ist sicher. Darin fühle ich mich aber eigenartigerweise auch wohl.
Marstall, Premiere Samstag, 20 Uhr, Karten unter der Nummer: 2185 1940
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