"Wände streichen. Segel setzen": Solo mit drei Rollen

Luise Kinsehers neues Programm "Wände streichen. Segel setzen" im Lustspielhaus.
Mathias Hejny |
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Die Kabarettistin Luise Kinseher ist im niederbayerischen Geiselhöring aufgewachsen.
Die Kabarettistin Luise Kinseher ist im niederbayerischen Geiselhöring aufgewachsen. © Martina Boghdan

Frau Frese hat den ersten Auftritt. Ihr greiser Gatte Heinz ist verstorben und nun bereist sie auf der "Aida" die Weltmeere, denn Heinz inkarnierte zur Möwe. Auch eine weitere alte Bekannte aus dem Kabarett-Kosmos von Luise Kinseher hat Einschneidendes hinter sich. Durch Corona musste die ansonsten notorische Stüberl-Sitzerin Mary from Bavary auf ihr sommerliches Mädels-Saufgelage unter spanischer Sonne verzichten und die Damen blieben zum "Waldbaden" im Lande.

Jetzt ist sie Spezialistin für Vogelstimmen ("Ich kannte vorher nur den Schluckspecht, die Schnapsdrossel und den Reiher") und näherte sich der Hochkultur. Im wagnerschen Walküren-Look schmettert sie die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts "Zauberflöte". Die dritte im Bunde ist die Frau Kinseher, die mit Ihrem Vermieter im Clinch liegt, weil sich im Parkett ein sich ständig vergrößender Riss gebildet hat. In der Zwischenzeit ist aus dem Wohnzimmer ein Biotop geworden, in dem Pilze wachsen und eine seltene Libellenart, die Sibirische Azurjungfer, lebt.

Riss im Fussboden als Metapher

Der Riss im Fussboden ist natürlich eine Metapher für den Riss, der durch die ganze Welt geht. Er bildet die Rahmenhandlung für das neue Programm von Luise Kinseher, das "Wände streichen. Segel setzen" heißt und von den Malerarbeiten, die der Mietvertrag vor den Auszug gesetzt hat, sowie von verheißungsvollen neuen Zielen kündet. Der Riss durchzieht auch das Solo mit drei Rollen, denn die vielen oft schrägen bis schrulligen Parallelgeschichten, die sie immer so meisterhaft zu verknüpfen verstand, finden zunächst nur mühsam zusammen.

Das mag eine Folge von Corona sein, denn während der Proben infizierte sich erst sie selbst und dann ihre Regisseurin Beatrix Doderer. Aber die Kinseherin wäre nicht unsere verehrte Mama Bavaria, hätte sie nicht trotzdem alles im Griff. Die Premiere im Lustspielhaus geriet dann doch zu einem Triumphzug. Dabei will sie von der Figur der Bavaria gar nichts mehr wissen, gesteht sie unter Bedauernskundgebungen aus dem Saal. Dann erzählt sie von ihren Zweifeln nicht nur an der Wirksamkeit von Kabarett, sondern ganz allgemein auch an der Intelligenz unserer ganzen Spezies.

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Wir alle seien hoch gebildet, und doch als "hirnlose Bandwürmer, festgekrallt im Enddarm der Evolution" unfähig, die Komfortzone zu verlassen. An diesem Satz habe sie zwei Corona-Winter lang gearbeitet, plaudert sie aus ihrem kabarettistischen Nähkästchen, zu dem auch traditionelles CSU-Bashing gehört: Statt des Löwen, der nur frisst und schläft, wünscht sie sich die Kuh als bayerisches Wappentier, die mit ihrer Heimat zufrieden ist. Aber es sei zu befürchten, dass sich Markus Söder für den Hornochsen entscheide.

Doch fürs Politbrettl ist Luise Kinseher eine viel zu begnadete Geschichtenerzählerin. Da kann es passieren, dass sie vom Vater, dem Malermeister, anfängt, zum aktuellen Handwerkermangel kommt, um ganz selbstverständlich in den unendlichen Weiten des Weltalls anzukommen, wo Schwarze Löcher alles zusammen halten und irgendwann einmal verschlingen werden.


Lustspielhaus, 20. bis 29. Oktober, 2. bis 6. November, 20 Uhr, Telefon: 089-344974

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