Theater und die Bundes-Notbremse: Alle Fragen offen

Die Notbremse und ihre Nebenwirkungen sorgen in den Theatern für Ratlosigkeit.
Robert Braunmüller
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Ein kontaktarmes Open Air der Nürnberger Staatsphilharmonie auf dem dortigen Dutzendteich
Ein kontaktarmes Open Air der Nürnberger Staatsphilharmonie auf dem dortigen Dutzendteich © picture alliance/dpa

Die Notbremse ist scharf gestellt, und bis 9. Mai gibt es nach den derzeit geltenden Regeln ohnehin keine Konzerte, Theatervorstellungen und Kabarettaufführungen. Wenn die Inzidenz dann sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt, wird die Notbremse gezogen, und alles bleibt dicht.

Was bedeutet die "atmende Öffnungsmatrix" für den Kulturbetrieb?

Aber, gesetzt den Fall, die Zahlen sinken, was dann? Es ist unwahrscheinlich, dass die Inzidenz in München nach dem 9. Mai wieder unter 100 liegt.

Dann dürfte wieder die "intelligente" oder auch "atmende Öffnungsmatrix" zum Tragen kommen, die eine Öffnung von Museen und Theatern im 14-Tagesabstand vorsah. Ganz klar ist das aber nicht, eine Alternative dazu gibt es aber auch nicht.

Open Airs sind nicht erlaubt

Leider sind bei den Bedingungen der Notbremse auch Veranstaltungen an der frischen Luft tabu. Carsten Brosda, der Präsident des Deutschen Bühnenvereins und Kultursenator in Hamburg, hat diese Schärfe und die damit verbundene Planungsunsicherheit scharf kritisiert.

Durchgedrungen bei der Politik ist er damit nicht: Nach wie vor wird das leicht kontrollierbare kulturelle Leben dazu benutzt, um Strenge zu demonstrieren.

Der Kleinkunst-Impresario hat Hoffnung

Till Hofmann wollte am 13. Mai mit dem Eulenspiegel Flying Circus im Innenhof des Deutschen Museums starten. "So wie ich das verstanden habe, soll in Bayern versucht werden, möglichst viel zu ermöglichen", sagt der Kleinkunst-Impresario. "Dann kann ich mir schon vorstellen, dass wie im letzten Sommer wieder vor 400 Leuten gespielt werden kann."

Keine Garantie für Pilotprojekte

Ähnliche Signale hat vor Ostern mancher vernommen, Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung sprachen in Hintergrundgesprächen davon, auch in den Theatern geht man davon aus, dass es Pilotprojekte geben wird. Aber etwas Handfestes gibt es nicht.

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Bleibt das Prinzip Hoffnung. Till Hofmann vertraut darauf, dass es "mit der Impferei vorangeht". Man müsse eben abwarten. "Wenn die Inzidenz hoch ist, ist es einfach unverantwortlich zu spielen. Da bricht jetzt nicht die Welt zusammen, dann spielen wir halt später.

Aber das ein oder andere Open-Air-Konzert würde die Leute psychisch schon erfreuen, und ich denke, das ist auch verantwortbar." Auch Kunstminister Bernd Sibler teilte Ende März noch diese Ansicht, als er einen "Kultursommer" im gesamten Freistaat von Juni bis September ausrief.

"Unser Freistaat ist Kulturstaat"

"Unser Freistaat ist Kulturstaat. Das wollen wir von Juni bis September wieder ganz bewusst leben: mit vielfältigen Veranstaltungen vor allem im Freien und klugen, verantwortungsvollen Sicherheitskonzepten. Mir ist es ein Herzensanliegen, Kunst und Kultur für Besucherinnen und Besucher wieder direkt erlebbar, spürbar, sichtbar zu machen", so Sibler damals.

Das Bayerische Staatsschauspiel plant mit Freiluftvorstellungen

Aber was ist davon übrig? Beim Bayerischen Staatsschauspiel geht man zwar davon aus, dass die Abonnenten lieber Vorstellungen im Residenztheater sehen würden.

Trotzdem hat man sich dort den ministeriellen Wunsch zu eigen gemacht und mit Planungen für Freiluftvorstellungen auf dem Marstallplatz begonnen, ohne das bisher dafür Rahmenbedingungen festgelegt wurden.

Lohnt sich Open-Air-Theater?

Derlei lässt sich allerdings nicht aus dem Hut zaubern. Die Regelungen der Notbremse scheinen es aber vorauszusetzen, und ganz nebenbei stellt sich auch bei einem subventionierten Theater die Frage, ob es ökonomisch wirklich sinnvoll ist, Freiluftvorstellungen für - sagen wir mal - nur 100 Zuschauer zu planen.

Wenn man sich so umhört, wird vor allem klar: Niemand weiß etwas. Es gibt keine eindeutigen Vorgaben aus den Ministerien, die über zwei Wochen hinausreichen würden. Als vor Ostern ein zartes Hoffnungspflänzchen blühte, war zwar von Testungen die Rede, ohne dass ein Prozedere wirklich fixiert worden wäre.

Der Wunsch nach einer übergreifenden Strategie

In den Theatern wünscht man sich vielfach eine übergreifende Strategie, die auch den Einzelhandel und die Gastronomie einbezieht. Dazu gab es zuletzt positive Signale vom Kulturreferenten Anton Biebl. Nur hat der leider nichts zu sagen, weil das Gesundheitsministerium und die Staatskanzlei derzeit die Generalintendanz über alle darstellenden Künste innehaben.

Die Häuser proben also munter weiter, spielen lieber online und hoffen auf den nächsten Modellversuch, der zum x-ten Mal nachweist, dass man leichter vom Blitz getroffen wird, als sich beim Theaterbesuch anzustecken. Die Verwaltungsetagen schreiben schon wieder mal Hygienekonzepte um.

Das alles ist ziemlich frustrierend, und diesem Frust wurde schon öfter Luft gemacht. Nach dem Motto aus Brechts "Der gute Mensch von Sezuan": "Den Vorhang zu und alle Fragen offen". Am einfachsten wär's, die Theater würden in Baumärkten spielen.

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