Spider Murphy Gang: Frosch im Hois, Hits in der Kehle

Das Spider Murphy Gang-Musical im Prinzregententheater ist eine schöne Sause – erst recht, als am Ende die echten Spiders auf die Bühne kommen.
Dominik Petzold |
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Es dauert, bis Schorschi die Verbindung nach München herstellt: Zuvor hat er sich mit der Scheibe verwählt.
Sebastian Buff Es dauert, bis Schorschi die Verbindung nach München herstellt: Zuvor hat er sich mit der Scheibe verwählt.

"Das Landestheater Coburg erobert München", ruft Günther Sigl begeistert in die Menge, die bei den Zugaben längst vor den Sitzen steht. Und da schwingt die Pointe des Abends natürlich mit: Denn das fränkische Haus erobert die Theaterstadt München ausgerechnet mit einem Stück über eine Münchner Institution, ein Wahrzeichen, einen Exportschlager: die Spider Murphy Gang. Das Musical "A Spider Murphy Story" von Musiker Rüdiger Eisenhauer und Landestheater-Schauspieldirektor Matthias Straub läuft in Coburg seit vergangenem Oktober, war bei Dutzenden Vorstellungen stets ausverkauft und läuft nahtlos im Herbst weiter. Jetzt exportieren die Franken das Stück in die Heimat der Band.

Es spielt in den fünfziger Jahren, irgendwo in der oberbayerischen Provinz, in einem Diner namens "Spider Murphy’s". An der Wand steht eine klassische Polsterbank aus rotem Leder, darüber hängt ein Elvis-Bild, und auch die Platte in der Jukebox hängt manchmal – die sechsköpfige Band, die auf einer Empore thront, spielt das in einem charmanten Anfangsgag live.

Elf Darsteller und vier weitere Tanzpaare

In dem schönen fünfziger-Jahre-Setting (Bühne: Robert Schrag) trifft der junge Günther-Sigl-Doppelgänger Schorschi (Benjamin Hübner) jeden Tag seine Kumpels, die zeittypische Spitznamen wie "Bohne" und "Wurschti" haben. Nur Pullunder-Träger Klaus Dieter ist zu uncool für einen Spitznamen. Die vier schauen verwegen, wenn sie eine "Coke" bestellen und sind aufgeregt – ihr Testosteronlevel ist hoch, ihr Flirtniveau niedrig– , wenn sich die Petticoat tragenden jungen Damen ankündigen. Die heißen wie die Verflossenen aus "Pfüati Gott Elisabeth": Veronika, Edeltraut, Adelgund, Angelika. So kann man gespannt sein, wie der Hit wohl in die Handlung eingebaut wird.

Denn die ist nur das Vehikel für die Songs der Band, das Musical ist eher Revue als Erzählung. So fabuliert Schorschi vor seinen Kumpeln von einem Stelldichein mit dem Fräulein Bürstner – räumt aber singend ein, dass der "Reißverschluss" dann doch zu blieb. So gehen Jungs und Mädels zu "Wo bist Du" die Zeitungsinserate einsamer Seelen durch. Und als Schorschi seine Freunde überreden will, nach München zu ziehen – wie könnte er das überzeugender machen als mit "Sommer in der Stadt"? Dazu kommen noch Bar-Betreiber Eberhard, der Aufschneider Johnny Silver und seine Freundin, die natürlich Elisabeth heißt. Zu den Gesangs-Nummern der elf Darsteller wirbeln oft noch vier weitere Paare eines Bamberger Rock’n’Roll-Tanzteams über die Bühne (Choreographie: Julia Grunwald).

Am besten funktioniert das bei Story-Songs wie "Mit’m Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia", deren Geschichte nicht nur gesungen und betanzt, sondern auch gespielt wird: Da führt der verklemmte Klaus Dieter vor, wie er sich mit den Frauen "oiwei so blamiert", ob mit der Loreley-artigen Schönheit, dem "Superhosn", den er nach der Disco nach Berg am Laim fährt, oder Gaby, die ihn im "hauchdünna Negligé" begrüßt. Noch nicht mal mit der Sexpuppe "Dolce Vita Rita" aus dem gleichnamigen Song klappt’s für Klaus Dieter, gemeinsam mit Bohne müht er sich an ihr ab – und irgendwann ist bei der Sache die Luft raus. Verzweifelt schicken die Freunde Klaus Dieter dann zur Rosi ins Sperrbezirk. Danach singt er beseelt "Sch-Bum" – ‘s Leb’n is wiar a Traum".

Ein herrliches Spektakel zum Schluss

Als man in der Pause Spider Murphy Gang-Leader Günther Sigl trifft, ist er ganz beglückt über das Musical. Anfangs sei er skeptisch gewesen, habe sich gefragt: "Interessiert des überhaupt jemand?" Und jetzt hätten ihn vor dem Stück Gäste aus Coburg um ein Foto gebeten. Sie seien nach München gekommen, weil das Stück in Coburg immer ausverkauft sei. Sigl freut sich, dass die Macher nicht nur Hits, sondern auch viele unbekannte Songs eingebaut haben, Songs an die er "schon ewig nicht mehr gedacht" habe: die Single-B-Seite "Rock’n’Roll Maschin’" oder "Deine Augen". "Mei, was mir damals alles durch den Kopf gegangen ist", sagt er.

Später beim Schlussapplaus zeigt Matthias Straub dann in die vierte Reihe und bittet einen Zuschauer auf die Bühne. Die Hälfte des Publikums gibt da schon Standing Ovations. Als dann Günther Sigl die Bühne betritt, stehen alle. Er hat das Mikro in der Hand, eine Rede steht wohl bevor, als plötzlich auch Barny Murphy hinter dem Vorhang auftaucht, die Treppe zur Band hochgeht und sich die Gitarre von Bandleader Rüdiger Eisenhauer umhängt. Also doch keine Rede, jetzt wird gerockt, und zwar noch mal "Skandal im Sperrbezirk".

Und das ist ein herrliches Spektakel: Sigl bindet Darsteller und sogar Zuschauer ein, um ihn herum wirbeln die Tänzer, auf der Empore macht Barny Murphy Dampf. Danach geht der Vorhang immer und immer wieder auf, Günther singt mit Barney "Sommer in der Stadt", danach allein "So a schöner Tag". Und auch die Band um den exzellenten Gitarristen Eisenhauer dreht jetzt mehr auf als während des Musicals, als sie die Sänger Musical-gemäß zurückhaltend begleitete. Für "Schickeria" schnappt sich dann Barny noch mal die Gitarre und spielt – mit fremdem Equipment – ein erstklassiges Rock’n’Roll-Solo. Dann sagt Günther Sigl doch noch ein paar Worte, würdigt die Leistung des Ensembles und der Band. Und fragt: "Wo ist eigentlich der, der bei der Rosi war?" Klaus Dieter-Darsteller Valentin Kleinschmidt winkt in dem Anzug, den die leidenschaftliche Rosi ihm zerfleddert hat. "Wenn ich mitspielen würde, wäre das meine Rolle", sagt Sigl. Und schiebt gleich hinterher: "Mit’m Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia."


Prinzregententheater, noch bis Sonntag, jeweils 20 Uhr, am Sonntag 15 Uhr, Karten: Tel. 9360 93

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