So ist der neue "Jedermann" mit Tobias Moretti

Der neue "Jedermann" der Salzburger Festspiele in der Regie von Michael Sturminger mit Tobias Moretti
Mathias Hejny |
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Der neue "Jedermann" in Salzburg.
Matthias Horn 8 Der neue "Jedermann" in Salzburg.
Der Bühnenaufbau auf dem Domplatz.
dpa 8 Der Bühnenaufbau auf dem Domplatz.
Der neue Salzburger "Jedermann".
dpa 8 Der neue Salzburger "Jedermann".
Der Regisseur Michael Sturminger.
dpa 8 Der Regisseur Michael Sturminger.
Der neue Salzburger "Jedermann".
dpa 8 Der neue Salzburger "Jedermann".
Der neue Salzburger "Jedermann".
dpa 8 Der neue Salzburger "Jedermann".
Der neue Salzburger "Jedermann".
dpa 8 Der neue Salzburger "Jedermann".
Der neue Salzburger "Jedermann".
dpa 8 Der neue Salzburger "Jedermann".

SaLZBURG - Fromme Traditionalisten haben am Ende keinen Zweifel, dass das Donnerwetter vor Beginn der Vorstellung die göttliche Strafe für eine Interpretation war, wie es sie bis dahin noch nicht gab.

Eher aufklärerisch orientierte Zuschauer erinnern sich allerdings daran, dass Niederschläge zu Salzburg gehören wie die Nockerln und dies nicht die erste Premiere des „Jedermann“ war, die mit der Flucht ins Festspielhaus endete. Auffällig aber ist, dass die himmlischen Schleusen sich erst so richtig ergiebig öffneten, als sich das Publikum – oft in Edeltracht oder auch in operntauglichem Zwirn gehüllt – schutzlos auf der Hofstallgasse drängelte.

Die Guten Werke verströmt mehr Eros wie die Buhlschaft

Dabei ist die Inszenierung des erst kurzfristig eingesprungenen Regisseurs Michael Sturminger und seines Ausstatter-Duos Renate Martin und Andreas Dornhauser nicht völlig gottlos. Johannes Silberschneider ist als Glaube in seiner schwarzweißen Wanderprediger-Kluft eine sympathische Erscheinung. Doch in seiner 106-jährigen Geschichte war das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ noch nie so weit entfernt von dem romantisch empfundenen mittelalterlichen Irgendwo, das Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt kanonisiert haben.

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Die Predigt des Glaubens hat hier weniger Bedeutung für die Entwicklung Jedermanns zur Selbsterkenntnis als vor allem die Passion der Guten Werke. Der Sterbende findet seine Werke, gleichfalls im Siechtum befindlich, in seinem High-Tech-Krankenhausbett vor. Mavie Hörbiger ist eine sehr starke Werke mit morbid lasziver Verführungskraft. Einen solchen Eros bringt die Buhlschaft, die bei Stefanie Reinsperger einen eher rustikalen Charme verströmt, nicht unmittelbar mit.

Selbst der gleichfalls bisher unübliche finale Kuss des androgyn wirkenden Todes (Peter Lohmeyer) ist ein sinnlicheres Ereignis als das Kuscheln von Jedermann und Buhlschaft.

Das Neue an dieser Beziehung ist nicht die über die Domtreppe tollende Triebhaftigkeit, sondern der aufrichtige Wunsch nach Nähe und Wärme.

Moretti hält sich zurück

Das hat natürlich auch mit dem überraschend zurückhaltenden Naturell zu tun, mit dem Tobias Moretti sein Debüt als Jedermann gibt. Er ist kein dröhnend deklamierender Kraftlackl, sondern ein erfolgreicher Geschäftemacher der leisen Töne mit brüchiger Stimme und stets lauerndem Selbstzweifel.

Eine kleine Überraschung ist auch Edith Clever als Jedermanns Mutter: Die einst so aufwändig intonierende Hohepriesterin des Sprechtheaters weist ihren ungläubigen Sohn so unaufgeregt und sachlich zurecht, dass das bigotte Gezeter sogar vernünftig klingt.

Ohne Patina

So viel Vernunft hat für ein Mysterienspiel natürlich ihren Preis: Bloß gelegt von Patina verliert das Stück viel von der Magie, die ihre Kraft auch daraus bezog, völlig und schon immer aus der Zeit gefallen zu sein.

Zur Aktualität reicht es dann auch nicht, den „Jeh-derr-maahn“-Ruf vor die erste Szene vorzuverlegen, damit jeder weiß, dass wirklich jeder hier im Saal, beziehungsweise auf dem Platz, gemeint ist.

Ein spektakuläres Schmankerl für die Generationen, die ihre Sehgewohnheiten an Fantasy-Kino und Videogames geschult haben, ist, wenn sich die Hölle öffnet. Da hebt sich die Spielfläche, unter der es in kräftigen Farben brodelt, dampft und blitzt.
Darüber baumelt der Teufel (Hanno Koffler) wie ein als Stachelschwein kostümierter Schimpanse artistisch an der Hydraulik.

Nach nicht einmal rekordverdächtig kurzen 100 Minuten brachen stehende Ovationen für die Darsteller aus, die sich erst beim Erscheinen des Regieteams, begleitet von vereinzelten Buhs, deutlich dämpften.

Salzburg, Domplatz (bei schlechtem Wetter im Großen Festspielhaus), 28. Juli, 7., 18., 24., 26., 28. August, 17 Uhr, 29. Juli, 3., 8., 12., 14., 20. August, 21 Uhr, weitgehend ausverkauft, Infos unter Telefon0043 6628045500

 

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