Kritik

Sexstreik in der Glyptothek mit Lysistrate

Femininer Pazifismus mit Selbstironie: Die Komödie von Aristophanes und vor allem von Walter Jens im Innenhof der Glypthotek
Adrian Prechtel
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Die drei von der Glyptothek: Yuri Garate, Beatrice Murmann (Lysistrate) und Roland Schreglmann.
Astrid Ackerman 2 Die drei von der Glyptothek: Yuri Garate, Beatrice Murmann (Lysistrate) und Roland Schreglmann.
Auf goldener Bühne: Yuri Garate (li), Beatrice Murmann, Roland Schreglmann (re)
Astrid Ackerman 2 Auf goldener Bühne: Yuri Garate (li), Beatrice Murmann, Roland Schreglmann (re)

München – Die Grundgeschichte ist einfach: Ein Sexstreik der Frauen für Frieden! Denn wenn Männer - außer aufeinander einzuschlagen - wirklich nur das Eine wollen, kann man mit einem Boykott viel bewirken - vor allem nach 20 Kriegsjahren zwischen Athen und Sparta.

Friedensfrauen unter der Führung der Heeresauflöserin

Auf diese Idee kam 411 vor Christus in Aristophanes' Komödie die Athenerin Lysistrate - ein sprechender Name: die Heeres-Auflöserin.

Der deutsche Autor Walter Jens hat daraus 1985 in der Hochphase des 40-jährigen Kalten Krieges "Die Friedensfrauen" gemacht. Sie dominieren textlich die Inszenierung von Alex Novak. Mit der Konsequenz: weniger direkter Schweinekram, dafür etwas mehr politisches Pathos.

Akustisch etwas schwierig

Die Sprachakustik leidet im Innenhof der Glyptothek dabei etwas unter den backengeklebten Port-Mikros und der Verstärkung, gerade wenn es hektisch zugeht bei wilden verbalen Schlagabtauschen.

Auch die Kostüme (Sofia Soto Diaz) sind gewöhnungsbedürftig: sanft antikisierend, dazu trashig grell, als ob die Erkenntnis, dass griechische Statuen ursprünglich bunt waren, hier zu stark abgefärbt hat.

Auf goldener Bühne: Yuri Garate (li), Beatrice Murmann, Roland Schreglmann (re)
Auf goldener Bühne: Yuri Garate (li), Beatrice Murmann, Roland Schreglmann (re) © Astrid Ackerman

Travestie für die Frauenrollen

Und weil ganz attisch-klassisch nur drei Schauspieler im Einsatz sind - davon Beatrice Murmann als Lysistrate - spielen die zwei Männer (Yuri Garate und Roland Schreglmann) auch mehrere Frauenrollen - komödiantisch, aber angenehmerweise wenig tuntig, obwohl das ihre Kostüme inklusive roter Feinstrumpfhosen nahelegen würden.

Es geht ums Bett

"Lysistrate" ist eben ein Frauenstück, das zwar einen klar feministischen Zug hat, aber hier durchaus witzig fair mit dem Geschlechterkampf umgeht. Schon zum zu Beginn einberufenen Frauenkongress über alle Feindesgrenzen hinweg kommt erst mal keine: "Wenn's um Frieden geht, rührt sich keine Hand!", wohl aber, wenn ums Bett geht mit dem Mann während dessen Fronturlaub.

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Oder Ausreden statt pazifistischem Engagement nach dem Motto: Pardon, konnte nicht kommen, hab' mein Schminkzeug nicht gefunden. Das Fazit von Lysistrate: Alle Frauen sind schwanzgesteuert!

Sold und Rente in Frauenhand

Dann rührt sich doch was und der Frauenprotest und Sexboykott nimmt Fahrt auf. Die weibliche Erstürmung der Akropolis und Eroberung der Kriegskasse eröffnet weitere Perspektiven, die Männer auch wirtschaftlich aufs Trockene zu setzen. Sold und Veteranenrente sind jetzt in Frauenhänden, die zuvor nur Taschengeld nach männlichem Gutdünken erhalten hatten. Und natürlich taucht auch die These auf, Frauen würden - im Falle der Machtübernahme - die bessere Politik machen.

Fake News vom Orakel

Diese Idee wiederum ist aber leicht gebrochen durch die Figur der Lysistrate selbst: lebenserfahren und klug ist sie, aber in ihren Methoden (inklusive Fake-News vom Zeus-Orakel) eben auch nicht gerade zimperlich.

Die Regie macht es dem Zuschauer und Hörer bei alledem nicht leicht, den Überblick zu behalten. Aber nach nur einer intensiven Stunde (auch bei Wasser, Brot und Wein und wenn gewünscht noch Oliven und Käse) gab es viel nachzudenken - und zu lachen über Männerschnupfen, Geilheit oder die Wankelmütigkeit der Frauen. Und von der Kunst des Liebens erfährt man auch viel Praktisches - nicht nur, dass Distanz die Lust steigert.


Innenhof der Glyptothek, heute bis 16. Juli, danach im Wechsel mit Goethes "Iphigenie" bis Mitte September. Karten: 35/21 Euro (inkl. Brot, Wasser, Wein). Bei Regen kann das Ticket für einen anderen Tag verwendet werden. www.theaterspieleglyptothek.de

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