Revolutionsballett: "Animal Farm" im Volkstheater
Menschen können nichts!, appelliert das Schwein Schneeball (Steffen Link) an seine Genossinnen und Genossen auf dem Hof von Bauer Jones: Sie können ihre Frühstückseier nicht selbst legen, sie geben keine Milch für ihre Latte Macchiato, für den Pflug sind sie zu schwach und für ihre Schnitzel müssen sie töten. Aber sie können herrschen und ausbeuten. Menschen können darüber hinaus auch Theater und einen Hund auf die Bühne stellen, um die Illusion zu erzeugen, er erzähle die Geschichte der "Animal Farm" von George Orwell.
Tiere und Kinder sind auf der Bühne eigentlich tabu, lautet ein alter Theaterglaubenssatz, denn die anderen Schauspielerinnen und Schauspieler haben gegen sie keine Chance.
Ein echtes Tier auf der Bühne? Selten, aber gibt's!
Doch der Auftritt eines echten Tieres ist ein verblüffender Theatercoup, mit dem Sapir Heller ihre Inszenierung beginnt. Während das Zamperl etwas ratlos in die Menge vor ihm blickt und bei seiner Trainerin in der ersten Reihe erfolgreich Leckerlis erbettelt, leiht ihm der Schauspieler Philipp Lind aus dem Off hechelnd und schmatzend Text und Stimme.
Die Hunde sind in der Bühnenadaption der Parabel im Volkstheater jedoch gestrichen. In der literarischen Vorlage sind sie auch keine Sympathieträger, sondern die brutal für Ordnung sorgende Spezialtruppe des Führerschweins Napoleon (Anne Stein), um nach dem erfolgreichen Aufstand der Hoftiere die Herrschaft an sich zu reißen und seine Diktatur zu sichern.
Eine Geschichte über den Missbrauch von Macht
Als das Buch im Sommer 1945 erschien, war das die aktuelle Nachrichtenlage. "Farm der Tiere" ist eine Tierfabel über die Verführbarkeit der Masse Mensch sowie den Missbrauch von Macht.
Orwell hatte damit als Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg ganz praktische Erfahrungen gemacht, während er daran schrieb, wurde der deutsche Faschismus von den Alliierten zusammengebombt, und aus dem russischen Kommunismus war im Stalinismus längst sein Gegenteil geworden. Abgesehen von Schneeballs Brille, die entfernt an Stalins späteren Gegner Leo Trotzki erinnert, kommt Hellers Inszenierung jedoch ohne konkrete historische Bezüge aus.
Ausstatterin Anna van Leen stellte ein abstraktes und begehbares Gerüst auf die ansonsten leere Bühne, das aus drei einzeln fahrbaren Teilen besteht. Damit lassen sich die Schauplätze wie die Wohnung des Bauern oder die Ställe ebenso erspielen wie die Härte der Arbeit an und in der Mühle.
Kleine Meisterwerke als Kostüme
Kleine Meisterwerke sind van Leens Kostüme: keine niedlichen Verkleidungen für den Kinderfasching, sondern prägnant charakterisierende Versatzstücke, mit denen der menschliche Körper immer sichtbar bleibt.
Die Pferde Boxer (Jan Meeno Jürgens) oder Kleeblatt (Lorenz Hochhuth) tragen eindrucksvolle Mähnen, die Schafe Wolly (Julian Gutmann) und Dolly (Silas Breiding) Lockenwickler im flauschigen Haupthaar oder das Huhn Rieke (Henriette Nagel) hat einen roten Kamm im Format eines Irokesenschnitts.
Wie nebenbei wird mit den tierischen Bewegungsprogrammen gespielt. Jonathan Müller ist als Squeaker im witzigen Schweinsgalopp unterwegs oder Jakob Immervoll der stets grantige und sture alte Esel Benjamin.
Dazu dröhnt der Sound von Ralph Heidel finster. Und die Kampfszenen - wie die Vertreibung des Bauern und die spätere Abwehr der Dorfbewohner, die als "Schlacht am Kuhstall" in die Annalen des "Animalismus" eingeht - werden von Jenny Schinkler als Revolutionsballett choreografiert.
Gegen Ende geht die Puste aus
Aber wenn sich solche Reize abnutzen, geht auch der Inszenierung die Puste aus. Vor allem zum Finale wird aus dem Theaterabend ein literarischer Vortrag. Der Hund kann gehen und seine Stimme - Philipp Lind - erscheint jetzt im Frack, um zu erzählen, wie die Geschichte ausgeht. Aber vielleicht ist es einfach so, dass nur ein schaler Geschmack ist, was von einer Revolution bleibt.
Münchner Volkstheater, Tumblinger-/Ecke Zenettistraße, wieder am 19., 20., 25., 26. Februar sowie am 7., 16., 16., 23., 24. März, Karten: Tel: 52 34 655
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