"Oper für alle" in Rosenheim: Musik zu den Leuten bringen

Die Bayerische Staatsoper eröffnet ihre Saison mit "Oper für alle" in Rosenheim.
Robert Braunmüller
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Ein Hauch von Verona: Rund 1500 Besucher verfolgten das regnerische Konzert der Reihe "Oper für alle" im Mangfallpark am Stadtrand von Rosenheim.
Ein Hauch von Verona: Rund 1500 Besucher verfolgten das regnerische Konzert der Reihe "Oper für alle" im Mangfallpark am Stadtrand von Rosenheim. © RBR

Nördlich von Verona, so wird der große Theatermann Max Reinhardt bei Schlechtwetter gerne zitiert, sei bei Freilichtspielen höchste Vorsicht geboten. Er hat sich trotzdem zum "Jedermann" auf dem Salzburger Domplatz verführen lassen. Ein ähnlich liebevolles Veto setzte am Freitag die Bayerische Staatsoper dem Nieselregen dort entgegen, wo am Inntaldreieck die Brenner-Route nach Süden zur Stadt von Romeo, Julia und der berühmt-berüchtigten Opern-Arena beginnt.

Rosenheim ist womöglich nur halb so schön wie Verona. Ein Theater gibt es nicht, dafür aber den am Rand der Innenstadt gelegenen Mangfall-Park, wo im Sommer öfter Konzerte stattfinden. Ein Damm, der die Wiese begrenzt, macht den Platz zu einer kleinen Arena und damit zu einem perfekten Ort, um die Oper zu all den Leuten zu bringen, die zwar die Aufführungen im Nationaltheater mitfinanzieren, aber weder Zeit noch Lust haben, extra nach München zu fahren.

Das Bayerische Staatsorchester im Zelt.
Das Bayerische Staatsorchester im Zelt. © Wilfried Hösl

Nach einer Durststrecke steigt die musikalische Temperatur

Bei schönem Wetter wären gewiss 5.000 Besucher in den Mangfallpark gekommen. Bei kühlen 11 Grad und leichtem Regen bedeuten aber auch 1.500 bis zum Schluss ausharrende Begeisterte einen Erfolg dieser neuen Form der Saisoneröffnung, die mit finanzieller Hilfe einer Großbank und eines Automobilherstellers voriges Jahr zum ersten Mal im mittelfränkischen Ansbach ausprobiert wurde.

Der Abend begann mit den üblichen Ansprachen, dem Dank an die Sponsoren und der bei solchen Anlässen unvermeidlichen Ouvertüre zu Giuseppe Verdis Oper "Die Macht des Schicksals" ein wenig zäh. Dann begeisterte Sonya Yoncheva mit einem ausdrucksvollen "Pace, Pace!", ehe eine nicht endenwollende Ballettmusik im spanischen Stil von Jules Massenet Sehnsucht nach einem Glühwein hervorrief. Auch eine etwas zähe Arie des gleichen Komponisten änderte daran nichts.

Sonya Yoncheva und Daniele Rustioni.
Sonya Yoncheva und Daniele Rustioni. © Wilfried Hösl

Nach dieser Durststrecke stieg die musikalische Temperatur auch ohne alkoholisches Doping. Freddie De Tommaso schmetterte und schmachtete den Abschied von der Mutter aus "Cavalleria rusticana", ehe die bulgarische Primadonna zu einer Arie und einem Duett aus Puccinis "Manon Lescaut" zurückkehrte. Das Intermezzo aus der gleichen Oper sorgte für einen Wiedererkennungswert einiger Melodien, und sogleich gelang es den beiden Künstlern, innerhalb von Sekunden die Stimmung zu drehen: Der Regen war vergessen und das Opernherz erwärmten die ganz großen Gefühle im XXL-Format.

Hinreißendes Duett-Finale 

Als Zugabe folgte noch das nicht minder hinreißende Duett-Finale des ersten Akts Puccinis "La Bohème". Der Intendant Serge Dorny wies die Begeisterten darauf hin, dass diese Oper demnächst auf dem Spielplan stünde, dann folgte als Rausschmeißer noch eine Polka von Johann Strauß, die Daniele Rustioni so kompetent und effektsicher dirigierte wie den Rest des Abends.

Es hat einfach Stil, wenn 100 Menschen in Frack und Abendkleid für Leute in Gummistiefeln und Funktionskleidung Musik machen. Die Dramaturgie der Auftritte könnte noch etwas beschleunigt werden, doch die Moderatorin bemühte sich - im Unterschied zum Vorjahr - um Kürze. Wer in den Mangfallpark gekommen war, blieb bis zum Ende des Konzerts - unter anderem auch deshalb, weil der Klang der Übertragung ungewöhnlich gut war.

Große italienische Operngefühle: Freddie Di Tommaso, Sonya Yoncheva und Daniele Rustioni in Rosenheim.
Große italienische Operngefühle: Freddie Di Tommaso, Sonya Yoncheva und Daniele Rustioni in Rosenheim. © Wilfried Hösl

Der Erfolg dieser zweiten Saisoneröffnung unter widrigen Bedingungen bleibt eine Mahnung an die ewige Bedenkenträgerei bei den drei Klangkörper des Bayerischen Rundfunks. Wer von der Bevölkerung des Flächenstaats Bayern einen Konzertsaal finanziert haben möchte, muss hin und wieder die kuschelige Metropole und ihre festen Häuser verlassen, zu den Leuten gehen und in gewohnter Qualität auch einmal auf einer Wiese spielen. Alles andere wirkt arrogant. Und das ist eine Haltung, die sich die sogenannte Hochkultur womöglich bald nicht mehr leisten kann.

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Die Staatsoper hat in Rosenheim die Leute umarmt. Mit dem Erfolg, dass man sich in der letzten halben Stunde des Konzerts wie in Verona fühlte. Und das ist im Frühherbst eine ziemlich beachtliche Leistung und eine Ermutigung für kommende Versuche in dieser Jahreszeit mit wechselhaftem Wetter. Aber auch im Juli, dem vormaligen Termin von "Oper für alle" hat's schon mal bei niedrigen Temperaturen geregnet.

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