"No Theater" von Toshiki Okada in der Kammer 1

Der japanische Regisseur und Dramatiker Toshiki Okada inszeniert in den Kammerspielen sein Stück „No Theater“
Mathias Hejny |
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Anna Drexler in der U-Bahn von Tokio.
Anna Drexler in der U-Bahn von Tokio.

Filmkritik im Untergrund: Ein Tokio-Tourist aus Hiroshima und der Geist des Feminismus diskutieren in der U-Bahnstation Tochomae Sofia Coppolas Film „Lost In Translation“. Scarlett Johansson und Bill Murray spielen darin zwei Amerikaner, die sich in der Fremde näher kommen. Der junge Mann liebt den Film und will Originalschauplätze wie die Bar des Park Hyatt besuchen. Das feministische Gespenst hingegen kritisiert den Exotismus, der mit den von sich selbst entfremdeten westlichen Protagonisten die Japaner von ihrer eigenen Wirklichkeit entfremde.

Auf den ersten Blick verzichtet der japanische Dramatiker und Regisseur Toshiki Okada bei seiner zweiten Arbeit an den Kammerspielen auf das Exotische. Bühnenbildner Dominic Huber stellte für die Uraufführung von „No Theater“ eine überraschend naturalistisch gestaltete U-Bahnstation auf die Bühne der Kammer 1. Auffälligster Unterschied zwischen der japanischen Hauptstadt und dem Rest der Welt sind die massiven Absperrungen, die verhindern sollen, dass sich Lebensmüde vor die Züge werfen.

Eine Symphonie in drei Sätzen

Einer dieser zahlreichen Opfer der japanischen Hochleistungsgesellschaft ist ein Investmentbanker, dessen Geist im U-Bahnhof Roppongi spukt. Er erinnert sich an die Wirtschaftsblase, in der rauschhaft Geld verdient wurde. Als die „economy bubble“ platzte, wurden nur die kleinen Vergehen geahndet und die ganze folgende und daher unschuldige Generation mit dem Verlust ihrer Perspektive bestraft. Stefan Merki spielt den untoten Spekulanten stoisch und mit maskenhafter Mimik, denn sein Regisseur entschied sich bei der Form seiner Erzählungen aus Japans Gegenwart für Exotik pur.

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Das No Theater, das dem Werk auch den Titel leiht, ist eine traditionelle Form des Tanztheaters, die auf das 14. Jahrhundert zurück geht. Die Darsteller tragen Masken und ihre Bewegungen folgen einem hoch differenzierten Kanon von Codes, die mit den Zeichensystemen des europäischen Theaters nicht das Geringste zu tun haben. Am ehesten treffen sich beide Kulturkreise in der Dreiteiligkeit: Wie bei einer klassischen Symphonie werden drei unterschiedliche Sätze gespielt.

Mobbing im Stadtrat

Bei Okada sind die Ecksätze finstere Largos, zwischen denen ein duftiges Allegretto steht. Um das kümmert sich mit viel selbstironischem Witz Anna Drexler, die sich über lange Monologe beklagt und mit einem solchen in der U-Bahn den Text von Hamlets Mutter Gertrud büffelt. Dem heiteren Diskurs über schauspielerische Mnemotechniken folgt der authentische Fall von sexistischem Mobbing im Tokioter Stadtrat.

Den Reisenden, der die Teile verbindet, spielt Thomas Hauser. Der hat viel Vergnügen am Widerspruch zwischen dem kühl artifiziellen gestischen Programm des No-Theaters und der Emotionalität der Erzählung. Hausers Lust am Spiel vermittelt sich auch dem Betrachter. Die Faszination ist stark und wurde am Premierenabend auch stark beklatscht, doch der Zauber von Okadas früheren Arbeiten stellt sich nicht ein. Der Exotismus, den der Geist des Feminismus so verwerflich findet, ist mächtig: Die Wut über Sexismus wird weich gespült und die Kapitalismuskritik versickert zwischen wirtschaftshistorischem Schulfunk und ökonomischen Verschwörungstheorien.

Münchner Kammerspiele (Kammer 1), 21., 25., 28. Februar, 17. März, 20 Uhr, 12. März, 15 Uhr, 19. März, 18 Uhr, % 23396600

 

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