Miina-Liisa Värelä: Harmonisch ins starke Ensemble eingefügt
München - Unerwartete Ausfälle gibt es im Opernbetrieb oft. So etwas Dramatisches wie bei der letzten Vorstellung der diesjährigen Opernfestspiele aber erlebt man selten. Wenige Tage, nachdem sie zur Bayerischen Kammersängerin ernannt wurde, muss Nina Stemme ihre Mitwirkung an der zweiten Aufführung der "Frau ohne Schatten" von Richard Strauss absagen.
Ohne Probe singt Miina-Liisa Värelä die Färberin vom Bühnenrand aus
Ein Ersatz wird gefunden, doch der kommt erst eine gute Stunde nach dem geplanten Beginn am Flughafen an. Also verschiebt sich alles um zwei Stunden. Es ist Mitternacht, als die Kaiserin endlich ihren Schatten wirft.
Abgesehen davon funktioniert die ultrakurzfristige Notlösung erstaunlich gut. Ohne Probe und somit todesmutig singt Miina-Liisa Värelä die Färberin am Notenpult vom Bühnenrand des Nationaltheaters aus, während eine nicht zu beneidende Regieassistentin als kostümiertes, aber stummes Körperdouble fungiert.
"Frau ohne Schatten": Miina-Liisa Värelä fügt sich unverhofft harmonisch ein
Nicht nur ist die Verfremdung inmitten all der Ungereimtheiten der Inszenierung von Krzysztof Warlikowski leicht zu verschmerzen: Mit ihrem dunkel glänzenden, in der Höhe pointierten, in der Tiefe stabilen Sopran fügt sich Miina-Liisa Värelä darüber hinaus unverhofft harmonisch in das starke Ensemble ein, zumal Michael Volle als ihr Färbersmann Barak kerniger, heldischer strahlt als der kultivierte Wolfgang Koch seinerzeit und sich auch mehr Zeit nimmt, um zentralen Sätzen bassbaritonales Gewicht zu verleihen.
Eric Cutler hat einen attraktiv gefärbten, aber präzise konturierten Tenor und kann damit einen vokal ungewöhnlich präzise geführten Kaiser geben. Dagegen geht Michaela Schuster als Amme ganz aus sich heraus, ruft die Dämonie dieser Gestalt allerdings mit einschüchterndem Volumen und sprachlicher Schärfe, nicht etwa mit Manierismen hervor.
Bayerisches Staatsorchester: Sebastian Weigle erreicht substanziellen Klang
Mit dieser "Frau ohne Schatten" hatte Kirill Petrenko einst seine Münchner Zeit begonnen. Sebastian Weigle, seit langem Chef an der Frankfurter Oper, ist nicht der Typ, der am Pult abhebt. Er strahlt vielmehr Ruhe aus und erreicht so mit dem Bayerischen Staatsorchester einen außerordentlich substanziellen Gesamtklang, der zum naturhaften Sopran von Camilla Nylund als Kaiserin bestens passt, in seiner Prägnanz aber auch deren riesige, expressiv wie anrührend aufgeladenen Melodiesprünge unterstützt.
Zum Glück hatte das Flugzeug mit dem sopranistischen Ersatz an Bord keine Verspätung. Es wäre schade um diese Aufführung gewesen.
- Themen:
- Kultur
- München
- Richard Strauss