"La Favorite" mit Elina Garanca im Nationaltheater

München - Angenommen, Papst Franziskus schriebe dem gegenwärtigen spanischen König einen Brief, um dessen Ehebrecherei anzuprangern. Was würde passieren? Der überbringende Jesuit würde freundlich aus dem Palast komplimentiert. Und der Brief endete im Papierkorb.
Gaetano Donizettis „La Favorite“ spielt im kastilischen Mittelalter. Da war der Heilige Vater noch nicht mild und ließ seinen Schäfchen durch strenge Hirten wilde Bannflüche und Drohungen ausrichten: alles, was man an Getöse für ein großes Finale auf dem Höhepunkt einer Oper braucht. Auf der Bühne des Nationaltheaters tragen die Figuren in Amélie Niermeyers Inszenierung moderne Kleidung. Das macht Szenen, in denen ein Priester mit dem Kreuz am Revers seine Macht ausspielt, leider im schlechten Sinn unglaubwürdig und opernhaft.
Der Ruhm dieser 1840 in Paris uraufgeführten Grand Opéra wurde allerdings noch nie von der Regie verkündet. Sondern durch Mezzosopranistinnen mit dramatischen Sehnsüchten dank der Titelpartie der Léonor. Und von Tenören wegen der „Ange si pur“.
Da hat die Bayerische Staatsoper in der ersten, französisch gesungenen Premiere der Spielzeit 2016/17 einiges zu bieten. Elina Garanca sieht als Mätresse des spanischen Königs von Spanien aus wie Catherine Deneuve in einem französischen Film: mit der ins Haar gesteckten Sonnenbrille unnahbar blond, von den Fummel-Avancen des Königs genervt bis unberührt. Die 40-jährige Lettin singt mit staunenswerter Noblesse. Die Grenzüberschreitung zum dramatischen Fach kommt im richtigen Moment. Aber dass einen die hoffnungslos verzweifelte Todesszene berühren würde, lässt sich leider nicht behaupten. Da fehlt es ihr an Unbedingtheit. Und der Regisseurin ist da leider außer Torkeln auch nicht viel Hilfreiches eingefallen.
Die Sänger und das Orchester glänzen
Die Premiere war daher mehr der Abend von Matthew Polenzani als Fernand. Er stürzt sich mit bemerkenswerter Verve und Risikofreude auf die Ausbrüche des zwischen Religion und Liebe schwankenden, leicht reizbaren Helden. Auch „Ange si pur“, ein Glanzstück lyrischer Tenöre, verwandelt er in Ausdrucksmusik, ohne die Emotionen überschwappen zu lassen. Der Rest der Partie, das macht der Amerikaner mit blitzendem Metall deutlich, fällt ins dramatische Fach französischer Prägung.
Mariusz Kwiecien spielt einen Mann, der sich alles erlauben kann. Er singt die Bariton-Kantilenen des Königs Alphonse elegant und mit kultiviertem Legato. Mika Kares fehlt bei aller Schönheit seines kernigen Basses die letzte Kraft für die Ausbrüche des Balthazar. Joshua Owen Mills macht aus der Nebenrolle des Don Gaspard einen aasigen Fiesling.
Der Dirigent Karel Mark Chichon forciert die Tempi bisweilen. Trotz gelegentlich überhitzter Ausbrüche vergröbert er mit dem wie immer exzellenten Bayerischen Staatsorchester Donizetti nicht zum frühen Verdi: Das schwer fassbare französische Parfum der Eleganz duftete diskret.
Hier spricht Elina Garanca über ihre Rolle
Die Stärken von Amélie Niermeyers Inszenierung liegen im Handgreiflich-Psychologischen. Die Chöre bewegt sie nicht ohne Geschick. Das Fest, bei dem der König seine unwillige Mätresse zu verführen versucht, ist nur Flackerlicht auf Léonor und Alphonse, in dem sich der König an seiner Allmacht berauscht – eine kluge Umgehung des in Paris seinerzeit unvermeidlichen Balletts. Aber die Regisseurin vertraut zu oft darauf, wie im Theater den Text für sich sprechen zu lassen, anstatt eine Oper in sprechenden Bildern zu erzählen.
Quer zu den modernen Kostümen steht die Allmacht der Religion in dieser Oper. Hinter den fahrbaren Metallgitterwänden leuchten lebende Madonnen und ein Jesus Christus am Kreuz auf (Bühne: Alexander Müller-Elmau). Die Idee, die Triebunterdrückung durch den Katholizismus wieder mal für alles verantwortlich zu machen, ist weder neu, noch erklärt sie die Handlung dieser Oper, in der von der ersten Szene an alles um Macht und Ehre kreist.
Es ist nachvollziehbar, dass Amélie Niermeyer keinen Historienschinken inszenieren will. Aber dieser Konflikt lässt sich in gegenwärtigen Kostümen kaum erzählen. Er ist auch nicht so überzeitlich, dass er diesen bewährten Kunstgriff rechtfertigen würde, Und der Widerspruch wirkt auf der Bühne leider auch nicht wirklich produktiv.
Allerdings: Es ist keine Schande, an einer französischen Grand Opéra szenisch zu scheitern. Donizettis exquisit gesungene Musik reißt zwar mit. Aber den Konflikt treiben vor allem jene Missverständnisse voran, die in der Oper des 19. Jahrhunderts allzu oft die Tragik ersetzen.
Es ist ein unterkühlter Abend, der trotzdem in einzelnen Momenten von innen glüht. Nicht das Schlechteste für eine Opernpremiere.