Interview

Kabarettist Robert Palfrader im Interview: "Unser Staat funktioniert besser"

Robert Palfrader analysiert Österreich als "Staatskünstler" und "Allein" - jeweils im Lustspielhaus.
Thomas Becker |
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Robert Palfrader (rechts) mit seinen Kollegen Thomas Maurer (links) und Florian Scheuba im Wiener Burgtheater.
Robert Palfrader (rechts) mit seinen Kollegen Thomas Maurer (links) und Florian Scheuba im Wiener Burgtheater. © imago/SKATA

München - AZ-Interview mit Robert Palfrader (53): Der Wiener ist Kabarettist, Schauspieler und Autor. Bekannt wurde er durch die Verkörperung der fiktiven Figur Kaiser Robert Heinrich I. in der Satire-Show "Wir sind Kaiser".

Palfrader war "Chef de Rang" im Wiener Hotel Marriott, betrieb das Café Torberg in der Josefstadt, während seine Geschwister einen Donau-Würstelstand hatten.

Aber seit Jahrzehnten ist er ein bekanntes Gesicht aus dem Fernsehen und von Bühnen. Mit Florian Scheuba, Thomas Maurer spielt er das Kabarettprogramm "Wir Staatskünstler" - am Donnerstag im Münchner Lustspielhaus.

Robert Palfrader: "Unser Name wurde unter Josef II. eingedeutscht" 

AZ: Herr Palfrader, Sie sind auch mit den Ski-Rennläufern Manfred und Manuela Mölgg verwandt, Ihr Vater stammt aus Südtirol. Wie gut sind Sie auf Skiern?
ROBERT PALFRADER: Ich brauche mich nicht zu schämen. Wer seinen Kindern Skifahren beibringen will: St. Vigil in Enneberg ist dafür der beste Platz auf diesem Planeten. Die Piste Miara ist ein fünf Kilometer langer Baby-Hang. Keiner dieser Lifte, aus denen die Kinder ständig rausfallen, sondern eine Dolomiti-Superski-Gondel. Meine Tochter hat's in zwei Tagen gelernt. Und das "Schöneck" bei Bruneck ist eines der besten Restaurants, in dem ich je gegessen - und ich bin sehr verwöhnt.

Und als ehemaliger Chef de Rang im Wiener Marriott und Wirt des Cafe Torberg in der Josefstadt auch vom Fach.
Dieses Genie von einem Koch hat einen japanischen Sous-Chef: Was die mit den traditionellen Südtiroler Gerichten gemacht haben, dieser leicht asiatische Anklang - ich bin komplett verliebt in dieses Restaurant. Es gibt auch ladinische Spezialitäten. Wir sind ja Ladiner, also Rätoromanen. Ich heiße eigentlich Peraforada. Unser Name wurde unter Josef II. eingedeutscht. Viele italienische Abfahrer haben so komische Namen wie Perathoner oder Runggaldier: alles eingedeutschte ladinische Flurnamen.

Palfrader und das Lustspielhaus: Vorsicht beim Bühnenaufgang

Jetzt aber zurück zur Arbeit. Ihre Lieblingsbühne?
Der Rabenhof in Wien. Mein Wohnzimmer. Meine Frau sagt immer: "Zum Glück sperren die irgendwann zu, sonst würdest du dein Bett dort aufstellen."

Ihre liebste Spielstätte in Bayern?
Nachdem ich bislang nur im Scharfrichter- und im Lustspielhaus gespielt habe, und der Fluchtweg im Scharfrichterhaus über eine zu kraxelnde Leiter führt, ist es eher das Lustspielhaus. Obwohl ich mir beim Bühnenaufgang in den Keller schon zwei, drei Mal fast den Hals gebrochen hätte. Wenn man so wie ich vor dem Auftritt gern ein Bier trinkt oder zwei und in der Pause noch eins, muss man aufpassen, dass der Schlussapplaus nicht wirklich der letzte ist.

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Als Ex-Wirt haben Sie sicher eine Lieblingskneipe.
Ich werde ja auch für die ein oder andere TV-Produktion nach München geholt. Wenn's irgendein Arschloch für eine Rolle brauchen, holen's einen Österreicher. Da bin ich dann wahnsinnig gern im Hotel Olympic, und eben im Faun - obwohl ich erst nach zehn Jahren als Stammgast erfahren habe, dass der Wirt Oberösterreicher ist, einer dieser Beute-Münchner.

"Einzelne Nummern erodieren wie eine Sandburg an der Wasserlinie"

Am Donnerstag treten Sie im Lustspielhaus mit Florian Scheuba und Thomas Maurer als "Wir Staatskünstler" auf. Eine Formation, die seit 2011 besteht, als Sendung im ORF lief und die man als investigativen Live-Ticker zu Korruption und anderen Schmutzeleien im politischen Betrieb Austrias bezeichnen könnte.
Es wird immer schwieriger, das Ganze in Programmform zu gießen, weil wir manchmal täglich dabei zusehen können, wie durch die Neuigkeiten, die uns die Mobiltelefone unserer Politiker bescheren, einzelne Nummern erodieren wie eine Sandburg an der Wasserlinie. Manchmal ist man froh: Brauch' ich das nicht mehr zu spielen. Andererseits ist der Arbeitsaufwand groß, wenn man ununterbrochen dran sein muss. Wir hatten ja eine wöchentliche Sendung, die dann nicht mehr erwünscht war…

Palfrader über den Unterschied zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Komödiantik 

Ob's an den diplomatischen Protestnoten ans Außenministerium lag?
Ich weiß nicht, warum wir keine Sendung mehr haben, aber am Preis kann's nicht gelegen haben. Das war Selbstausbeutung. Wir haben ja Kontakt zu Kollegen wie dem Herrn Böhmermann oder zu "Neues aus der Anstalt". Wenn man hört, wie Böhmermann produzieren kann und darf, kann man sich nur beschämt die Schuhspitzen anschauen und sagen: "Schade, dass ich hier bin und nicht dort." Wir wissen alle, wie wohlhabend das ZDF ist, aber ich habe noch gelernt, dass der WDR fünf Mal so wohlhabend ist wie das ZDF. Aber wir kommen zurecht, das Programm heißt ja "Jetzt erst recht". Weil wir auf der Bühne einfach sagen wollen, was los ist.

Obwohl die Wirklichkeit die Satire längst überholt.
Auf diesen Satz haben wir eine Antwort, die wir seit elf Jahren nicht müde werden zu wiederholen: Es gibt einen Unterschied zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Komödiantik. Wir sind freiwillig. Das ist nicht nur ein Qualitätsunterschied, sondern auch ein intellektueller.

"Das Maß an Akzeptanz korreliert mit dem Funktionieren des Staates"

Es ist schon ein spezielles Land, in dem Sie da leben.
Da es bei uns nur dieses eine Zentrum gibt, dieses aus der Monarchie übriggebliebene Riesenkonvolut Wien, kann man bei uns Machtstrukturen leichter ablesen als in Deutschland. Ich glaube nicht, dass es weniger Korruption gibt, sondern dass es bloß weniger auffällt. Warum es bei uns gesellschaftlich akzeptierter ist, liegt vielleicht daran, dass unser Staat sehr gut funktioniert - unser Mobiltelefon-Netz funktioniert, unser Internet ist schnell, eures nicht. Wenn der Staat funktioniert, denkt man: "Gut, stecken sie sich halt die Taschen voll. Hauptsache die Klospülung funktioniert." Das Maß an Akzeptanz korreliert mit dem Funktionieren des Staates. Korruption und Verfall der Sitten kannten schon die Römer. Das sind keine österreichischen Erfindungen, so stolz wir auch darauf sein würden.

Am 18. März spielen Sie im Lustspielhaus dann Ihr Solo "Allein", in dem es vor allem um Religion geht. Sie haben es mal als Selbsttherapie bezeichnet. Da gibt es nach den jüngsten Erkenntnissen zum bayerischen Ex-Papst und seinen Hintersassen sicher auch einiges zu aktualisieren.
Es gibt eine Nummer, die mit den Missbrauchsfällen in der Kirche endet, worauf es manchmal heftige Reaktionen aus dem Publikum gibt. Leute, die sich daran stoßen, dass ich den Vertretern der katholischen Kirche diesen Vorwurf nicht erspare. Dann extemporiere ich ein wenig und komme mit aktuellen Zahlen. Wenn man Mitglied in diesem Verein ist, akzeptiert man, dass man denen die Deutungshoheit überantwortet und die für einen sprechen. Ich habe für mich die Konsequenz gezogen und gesagt: "Nein, das macht niemand mehr, vor allem nicht ihr." Obgleich für mich eine Karriere als katholischer Priester durchaus eine Vorstellung wert gewesen wäre - zumindest bis ich zum ersten Mal mit einem Mädel geschmust hab'.

Palfrader: "Ich habe sogar einen Heiligen in der Familie"

Ernsthaft?
Ich komme aus einem extrem konservativen, katholischen Haus. Ich habe sogar einen Heiligen in der Familie.

Sie nehmen mich hoch!
Der heilige Josef Freinadametz ist ein Ur-Ur-Ur-Großonkel von mir, wurde von Johannes Paul II heiliggesprochen. Meine Großtante war sehr religiös, meine Urgroßmutter war ultrareligiös, ich war auf einem römisch-katholischen Privatgymnasium, bin von Jesuitenpatern erzogen worden - wobei ich auf die nichts kommen lasse. Die haben uns den Verstand geschärft.

Palfrader: "Mir ist schon klar, dass ich nicht normal bin"

Knüppelharte Sache!
Ich habe gelernt, dass man auch mal das Maul aufmachen und den Schädel hinhalten muss. Duckmäusertum haben sie uns nicht gelehrt.

Wenn Ihnen jemand die Bühne oder das Fernsehen wegnähme: Was wäre schlimmer?
Die Bühne. Das habe ich schon vor der Pandemie gewusst. Aber wie sehr ich die Bühne wirklich vermisse, habe ich erst begriffen, nachdem ich ein Dreivierteljahr nicht auftreten konnte. Wer wie ich unter einer schweren Profilierungsneurose und unglaublichen Minderwertigkeitskomplexen leidet, merkt dann, wie sehr er die Bühne braucht. Um unseren Beruf auszuüben, muss man schon einen Poscher, einen festen Hieb haben. Wenn man davon ausgeht, dass einem die Leute fast zwei Stunden zuhören, ohne ein Wort zu sagen, und auch noch dafür bezahlen, dann ist schon seltsam. Dann sollte das, was man auf der Bühne verzapft, schon lustig sein. Und anzunehmen, dass man das hingekriegt hat, ist schon größenwahnsinnig. Mir ist schon klar, dass ich nicht normal bin.


Lustspielhaus, Donnerstag, 3. März, 20 Uhr: "Wir Staatskünstler", 29 Euro, www.lustspielhaus.de; am Freitag, 18. März, Soloprogramm Robert Palfrader: "Allein"

 

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