Interview

"Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater: Was Oper alles kann

Der Regisseur Peter Lund über Ernst Kreneks "Jonny spielt auf" und das Problem des Blackfacings.
Robert Braunmüller
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Die Bühne von Jürgen Franz Kirner für "Jonny spielt auf" zitiert das expressionistische Theater der zwanziger Jahre.
Die Bühne von Jürgen Franz Kirner für "Jonny spielt auf" zitiert das expressionistische Theater der zwanziger Jahre. © Christian P. Zach

Die Münchner Erstaufführung dieser Oper war 1928 begleitet von Morddrohungen, organisierten Störaktionen, Schlägereien und Polizeieinsätzen. Nun kehrt Ernst Kreneks "Jonny spielt auf" unter der musikalischen Leitung von Michael Brandstätter wieder an das Gärtnerplatztheater zurück. Peter Lund inszeniert diese Neuproduktion.

AZ: Herr Lund, wer ist Jonny und warum spielt er auf?
PETER LUND: Jonny ist ein schwarzer amerikanischer Jazz-Musiker, der die Geige eines berühmten Violinvirtuosen klaut. In einer berühmten Szene springt er aufs Klavier und sagt, er sei der Erbe aller Kultur, die das alte Europa hervorgebracht habe. Ganz am Schluss sitzt er auf der Weltkugel - und alle tanzen dazu.

Peter Lund ist freier Regisseur, Autor und Professor für Musical an der UdK Berlin.
Peter Lund ist freier Regisseur, Autor und Professor für Musical an der UdK Berlin. © Heyde

"Ernst Krenek kannte Jazz nur aus dem Radio"

Das ist eine prophetische Vision.
Ernst Krenek hat in seiner Oper alles auf die Bühne gebracht, was damals aktuell war und was ihn beschäftigte: Das war für ihn primär die Zukunft des Musiktheaters. Jazz, Pop und Rock haben unsere Welt wahrscheinlich mehr geprägt als Schönberg und seine Schule. Krenek, ein Schüler von Franz Schreker, saß da ein wenig zwischen den Stühlen. Er sagt in dieser Oper mit der ihm eigenen Großzügigkeit den Sieg der amerikanischen Unterhaltungsmusik vorher, obwohl er später nie wieder zum Jazz zurückgekehrt ist und diesen Stil auch nur aus dem Radio kannte.

Zu den Figuren der Oper zählt auch ein Komponist namens Max.
Das ist ein Selbstporträt Kreneks. Er hatte damals - wie Max - auch eine Affäre mit einer Sängerin. Der Komponist weiß nicht, wohin sein künstlerischer Weg geht. Das ist ein wichtiges Motiv dieser Oper, die deutsche Emphase und Einflüsse von Gustav Mahler mit zeitgenössischer Unterhaltungsmusik verbindet.

Ernst Krenek: Ein Vertreter der europäischen Operntradition

In "Jonny" gibt es sogar einen singenden Gletscher.
Er steht für das alte Europa. Der Frauenchor singt ihn sehr klassisch und tief empfunden. Dann aber schwenkt die Szene auf die Terrasse eines Berghotels, wo Jazz aus einem Radio ertönt. Zwischen diesen Sphären steckt der Komponist Max. Er folgt am Ende dem Jazz und reist mit der Opernsängerin auf ein Gastspiel in die Neue Welt. Da musste Krenek später auch hin - als Emigrant.

Davor komponierte er unter anderem auch noch "Karl V.", eine zwölftönige Oper.
Krenek ist als Komponist eindeutig ein Vertreter der europäischen Operntradition von Puccini und Richard Strauss. Meine 15-jährigen Neffen kommen zur Premiere und ich denke, für sie ist "Jonny" ein guter Einstieg, um kennenzulernen, was Oper alles kann.

"Jonny" war damals ein Sensationserfolg.
Etwa wie die "Dreigroschenoper". "Jonny" wurde sogar an der Wiener Staatsoper aufgeführt, allerdings unter Protesten wie in München am Gärtnerplatztheater. Der damalige Skandal, der vom rechten "Kampfbund für deutsche Kultur" mit relativ wenig Leuten organisiert wurde, war ein Vorspiel zur späteren Kulturpolitik der Nazis. 1933 wurde diese Oper verboten, Krenek lebte erst in Österreich und emigrierte 1938 in die USA, wo er 1991 in hohem Alter verstarb.

"Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater
"Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater © Christian P. Zach

"Die Oper hat keinen rassistischen Dünkel"

Der damalige Reiz dieser Oper beruhte auch auf untypischen Schauplätzen wie einem Bahnhof. Heute ist das alles keine Sensation mehr. Was macht man als Regisseur damit?
Wir zitieren den Stil der Zeit - unter anderem in der berühmten Autofahrt mit Projektionen, um den historischen Kontext spürbar zu machen. Natürlich ist das heute keine Sensation mehr. Aber es hat in der Naivität, wie es damals gemacht wurde, etwas Berührendes. Vor allem aber ist "Jonny" eine sehr lebendige Spieloper - wie Mozarts "Figaro", ein Rossini oder eine flotte Operette von Offenbach.

Wenn man Jonny nicht mit einem Farbigen besetzt, muss man den Sänger schwarz schminken. Wie gehen Sie mit dem Blackfacing-Problem um?
Wir spielen die Oper in der historischen Zeit, und beziehen uns auf die damalige Premiere im Gärtnerplatztheater von 1928. Damals wurde auch geblackfaced. Mit einem farbigen Sänger in der Rolle des Jonny wäre es eine andere Geschichte. Umgekehrt kann man "Porgy and Bess" auch nicht mit Weißen spielen. "Jonny" ist ein Verkleidungsstück. Krenek hat sich eine Theaterfigur ausgedacht, und die ist ein Weißer, der sich schwarz anmalt. Daher machen wir das, aber nicht unkommentiert.

"Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater.
"Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater. © Christian P. Zach

Leider fällt auch das N-Wort.
Auf französisch. Und das sagt eine unsympathische Figur, der Geiger Daniello. Der Böse im Theater muss falsche Begriffe aussprechen dürfen. Wenn Hitler in einem Stück nicht mehr sagen darf, dass die Juden an allem schuld sind, ist er nicht mehr Hitler. Man muss über solche Fragen offen reden, auch mit den Mitwirkenden. Die Oper hat allerdings keinen rassistischen Dünkel - Jonny ist eine Figur wie Mozarts Figaro, ein Underdog, der sich mit Charme und Frechheit nimmt, was er will.

"Jede erfolgreiche Oper war einmal eine Zeitoper"

Sie haben Musical-Erfahrung. War das bei dieser Oper hilfreich?
Ich unterrichte Musical und schreibe selbst welche. Aber ich komme eher von der Spieloper und der Operette her. In diesem Bereich ist nach 1933 viel verloren gegangen. Aus "Jonny spielt auf" und der "Dreigroschenoper" hätte sich unter anderen Umständen ein deutsches Musical entwickeln können. Das wurde abgeschnitten, und in der Nachkriegszeit wurden existierende Werke der 1920er Jahre entjazzt. Davon hat sich die Operette nie wieder erholt - ganz zu schweigen von der Emigration aller wichtigen Komponisten in die USA.

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Krenek hat sich aber schon bald nach "Jonny" eher in Richtung Schönberg orientiert.
Er hätte sicher keine Musicals geschrieben. Aber eine Weiterentwicklung seiner Ansätze hätte auch der modernen Oper gutgetan. Es wären vielleicht nicht so viele selbstverfasste Libretti über antike Stoffe vertont worden. Die aktuelle "Zeitoper" der Zwanziger Jahre ist völlig verschwunden - dabei war doch jede erfolgreiche Oper einmal eine Zeitoper. Dass das nicht mehr so ist, hat die Gattung müde gemacht.


Premiere am 11. März, 19.30 Uhr im Gärtnerplatztheater. Weitere Vorstellungen am 14., 20., 24. und 31. März sowie im April. Karten unter: gaertnerplatztheater.de

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