Jetzt redet Igor Zelensky endlich

Wechsel beim Staatsballett: Der neue Direktor des krempelt das Ensemble um und vergrätzt eine wichtige Sponsorin. Nun erklärt er, wie es weiter gehen soll
von  Britta Schultejans

Fast die Hälfte der Compagnie ist in der neuen Saison nicht mehr dabei. Der neue Ballettdirektor Igor Zelensky erläutert seine Pläne - und was sich aus seiner Sicht in München ändern muss.

AZ: Herr Zelensky, Sie haben einen etwas holprigen Start. Tänzer, die das Ballett verlassen, gingen mit Kritik an die Öffentlichkeit...

IGOR ZELENSKY: Das ist bei neuen Jobs im Theater immer so - egal wo. Herr Liska ist 18 Jahre hier gewesen, natürlich ist es dann ein Schnitt. Ich selbst war zehn Jahre Direktor der Compagnie von Nowosibirsk und gehe nun – auch mein Nachfolger ändert Dinge und es gibt Gerüchte. Diese Dinge muss man tun, wenn man neu an ein Haus kommt. Man muss sich selbst ja zeigen.

Wie wollen Sie sich zeigen?

Ich habe in 14 verschiedenen Compagnien gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Diese möchte ich nun in München einbringen. Auch hier wird es darum gehen, der neuen Generation, die das Ballett heute prägt, Raum zu geben. 28 neue Tänzer werden aus der ganzen Welt nach München kommen. Wir werden die Namen Ende August bekannt geben. Jetzt geht es erstmal darum, uns kennen zu lernen und dass jeder seinen Platz findet. Das ist natürlich stressig für uns alle.

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Für Sie auch?

Ja, sicher. Ich werde die Tänzer selbst unterrichten – in der internationalen Sprache des Tanzes. Durch das Unterrichten bekomme ich einen besonderen, persönlicheren Draht zu den Tänzern. Ich muss das, was ich von ihnen will, selbst zeigen können. Das ist wirklich wichtig. Zum Glück habe ich den Job jetzt bekommen - und nicht auf meine alten Tage.

Was möchten Sie hier ändern?

Ich will den Erfolg der Compagnie verdoppeln. Wir müssen uns an die Struktur hier halten mit zwei Premieren im Jahr. Aber das Wichtigste ist die Qualität. Ich werde an der Qualität des Tanzens gemessen – ob es klassisches oder modernes Ballett ist. Es ist eines der größten Opernhäuser Europas und wir brauchen Top-Qualität.

Gibt es die jetzt hier noch nicht in München?

Man hat mich geholt, weil ich auf der ganzen Welt getanzt habe, weil ich in sehr vielen Compagnien gearbeitet habe, weil ich Visionen habe, weil ich etwas verändern soll und will. Ich will die Besten der Besten in dieses Haus holen.

Ist das so schwierig, die Besten hierher zu locken?

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Wir hatten 1000 Bewerbungen von Tänzern aus aller Welt, 700 davon haben wir angeschaut, 400 eingeladen – und sechs davon eingestellt. Sie sehen also, wie schwierig das ist. Darum ist es wichtig, dass wir eine gute Schule etablieren und sicherstellen, dass es der Direktor, der nach mir kommt, leichter haben wird. John Neumeier oder Stuttgart haben das Problem nicht – weil es dort eigene, starke Schulen gibt. Ich sage nicht, dass die Akademie in München schlecht ist - keinesfalls. Aber bei einer größeren Schule ist die Wahrscheinlichkeit, genügend Talente zu finden, eben größer.

Wenn Sie das Staatsballett mit anderen Compagnien vergleichen – wo sehen Sie es?

In München. Diese kleine Stadt ist so ehrgeizig wie eine Mega-City wie New York, Paris oder London. München hat eines der besten Opernhäuser Europas aufgebaut und mein Job als Ballettdirektor ist es, hart dafür zu arbeiten, dass das Ballett das gleiche Niveau hat. Es muss vorwärts gehen.

Irène Lejeune, die wichtigste private Sponsorin des Staatsballetts, hat ihre Zahlungen aus Protest gegen die neue Führung eingestellt.

Es ist schade. Sie liebt das Ballett und ist eine enge Freundin von Ivan Liska. Es geht eben auch um persönliche Kontakte. Wir müssen unseren Weg und großzügige Freunde des Balletts finden. Das Geld reicht nie – je mehr Geld, desto mehr Projekte, desto mehr kreativer Spielraum. Dann könnten wir vielleicht drei Premieren im Jahr machen.

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Ist das Ihr Ziel als Chef des Bayerischen Staatballetts?

Das ist eines meiner Ziele. Ein anderes besteht darin, mehr Kindern die Möglichkeit zu geben, sich hier zu entwickeln. Wir müssen Talente aus aller Welt für ihre Ausbildung hierher holen. Wenn wir hier eine gute Schule haben, müssen wir nicht mehr auf der ganzen Welt nach Tänzern suchen.

Frau Lejeune hat ihren Rückzug aus dem Sponsoring des Balletts damit begründet, dass sie Angst hat, in München könne ein russisches Staatsballett entstehen...

Als ich von New York nach Sibirien gegangen bin und all die Lehrer aus den USA mitgebracht habe, haben alle Leute entsetzt aufgeschrien, weil sie Angst vor einer amerikanischen Compagnie hatten. Als ich nach Moskau ging und britische Choreographen mitgebracht habe – das gleiche. Wir denken global, aber wir leben lokal.   

 

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