Interview

In der musikalischen Goldgrube

Peter Lund über das Kammermusical "Rockin' Rosie" auf der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters.
Robert Braunmüller
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Dagmar Hellberg als "Rockin' Rosie" im Gärtnerplatztheater.
Dagmar Hellberg als "Rockin' Rosie" im Gärtnerplatztheater. © J.-M. Turmes

München - Ab heute zeigt das Gärtnerplatztheater auf seiner Studiobühne elf (weitgehend ausverkaufte) Vorstellungen des Kammermusicals "Rockin' Rosie". Nicole Claudia Weber führt Regie, die Musik stammt von Wolfgang Böhmer. Das Buch und die Liedtexte kommen von Peter Lund, der zuletzt am Gärtnerplatztheater Ernst Kreneks Oper "Jonny spielt auf" inszeniert hat.

Peter Lund stammt aus Flensburg. Er war von 1996 bis 2004 Leitungsmitglied der Neuköllner Oper, ist Professor am Studiengang Musical/ Show der UdK Berlin, schreibt Texte für Musicals und inszeniert Opern und Operetten.
Peter Lund stammt aus Flensburg. Er war von 1996 bis 2004 Leitungsmitglied der Neuköllner Oper, ist Professor am Studiengang Musical/ Show der UdK Berlin, schreibt Texte für Musicals und inszeniert Opern und Operetten. © Heyde

Peter Lund: "Generationenkonflikt und große Themen"

AZ: Herr Lund, Sie haben "Rockin' Rosie" unter Mitwirkung des Ensembles konzipiert. Wie muss man sich das vorstellen?
PETER LUND: Wir hatten eine Spielidee und eine grobe Aufteilung der Figuren. Es war klar, dass Dagmar Hellberg die Hauptrolle übernehmen wird. Die anderen Rollen waren nicht abschließend besetzt. Dann haben wir drei Tage mit dem Ensemble über Themen wie Familie, die Vereinbarkeit mit einem künstlerischen Beruf und die Umstände der Gründung einer Band gesprochen.

Worin bestand die grundlegende Spielidee?
Das Musical sollte fünf ältere Herrschaften und drei junge beschäftigen, weil durch Umplanungen während der Corona-Zeit für einige Ensemblemitglieder eine Lücke mit wenigen Auftritten entstanden war. Aufgrund dieser Vorgabe war keine klassische Eltern-Kinder - oder Liebeskonstellation möglich. Da kamen wir schnell auf eine Geschichte zwischen Großeltern und ihren Enkeln und die Altachtundsechziger. Sie sind teilweise lustiger drauf als die heutige jüngere Generation. Die hat allerdings eine schwierige Aufgabe geerbt: den Planeten aufzuräumen.

Alexander Franzen, Dagmar Hellberg, Gunnar Frietsch und Frances Lucey in "Rockin' Rosie" im Gärtnerplatztheater.
Alexander Franzen, Dagmar Hellberg, Gunnar Frietsch und Frances Lucey in "Rockin' Rosie" im Gärtnerplatztheater. © J.-M. Turmes

Bandgründung mit 70? Let's rock!

Und was machen diese älteren Herrschaften im Musical?
Unsere Geschichte handelt vom 70. Geburtstag der Haupt-Lady einer Band. Dazu kam die Idee, die Probengarage in Schwabing auf einem guten Baugrund stehen zu lassen. Das gibt den Generationen die Gelegenheit, sich wieder anzunähern. Diese Idee haben wir mit den Mitwirkenden diskutiert.

Was entstand daraus?
Dagmar Hellberg und das übrige Ensemble haben viel aus ihrer eigenen Theatererfahrung eingebracht. Das gab mir als Autor eine Menge Futter, um die Geschichte authentisch zu gestalten. Mir bringt es viel, die Darsteller, für die ich schreibe, gut zu kennen. Was sie mir sagen, setzt sich in meinem Kopf fort.

Ob München oder Berlin - Nostalgie ist übergreifend

Sie leben in Berlin - das Musical spielt in Schwabing. Gibt's da nicht Probleme mit dem Lokalkolorit und der korrekten Erinnerung an die mythischen siebziger Jahre?
Diese Nostalgie ist nicht münchenspezifisch. Wenn ich ein Stück für München schreibe, soll es auch hier spielen. Ich war damals ohnehin weder in München noch in Berlin dabei: Ich komme aus Flensburg. Und als ich nach Berlin kam, war diese Zeit auch schon vorüber. Außerdem bin ich Mitte 50 und die Siebziger sind noch eine halbe Generation vor meiner Zeit. Da mussten mir Dagmar Hellberg und Erwin Windegger schon etwas erinnernd unter die Arme greifen. Und rein musikalisch ist die Zeit, in der "Rockin' Rosie" spielt, einfach eine Goldgrube. Warum soll man die nicht benutzen?

"Rockin' Rosie" im Gärtnerplatztheater.
"Rockin' Rosie" im Gärtnerplatztheater. © J.-M. Turmes

Steht das Nostalgische bei diesem Musical im Vordergrund?
Was ich kann, sind Familiengeschichten. Da kann ich auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Das hat mich auch hier primär interessiert: Rosie hat für die Musik ihre Familie vernachlässigt. Ihr Sohn ist deutlich spießiger als seine Mutter geworden. Er hat selbst Familie. Nun muss sich die Enkelgeneration zu den Großeltern verhalten. Bei der Geburtstagsfeier kommt dann alles auf den Tisch. Zwischen Komik und Sentimentalität ist alles dabei - und auch die Krankheiten kommen ins Spiel.

Dinner for One auf Rock'n Roll

Bei Spitznamen wie "Sir Toby" und "Der Admiral" könnte man auf die Idee kommen, "Dinner for One" hätte Sie ein wenig angeregt.
Das ist die Grundkonstellation: Eine ältere, alleinstehende Dame scheint mit vier Herren zu feiern, die noch nicht anwesend sind. Und die Enkelin hat die Befürchtung, dass die Oma geistig ein wenig abwesend ist. Alle vier Herren machen Rosie einen Heiratsantrag, weil sie es ganz praktisch fänden, im Alter eine Krankenschwester zu haben. Aber Rosie will ihre Unabhängigkeit behalten, auch wenn sie dafür einen Preis zahlen muss.

Ist "Rockin' Rosie" ein Jukebox-Musical mit alten Hits?
Wolfgang Böhmer hatte viel Spaß, die Musik der 1970er und 80er nachzuempfinden. Man kann die Stile riechen, aber es ist eine Originalmusik.

Eine Hommage an ältere DarstellerInnen

Warum sind Musicals für ältere Darsteller vergleichsweise selten?
Ich finde das auch schade. Schon für Darstellerinnen ab 40 wird es schwierig. Man kann doch nicht genug lebensfrohe ältere Menschen um sich haben!

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Ist bei Ihnen ein Groll über die Proteste gegen das Blackfacing in Ihrer Inszenierung von "Jonny spielt auf" geblieben?
Nein. Wenn der Hauptdarsteller private Droh-Mails bekommt, habe ich eine Sorgfaltspflicht, die Eskalation nicht noch zu befeuern. Ich bleibe grundsätzlich bei meiner Ansicht, dass man Blackfacing in einem historischen Kontext benutzen kann. Die Debatte darüber scheint mir überhitzt. Da muss ich schon sagen: Die Welt hat manchmal einen Vogel. Und ein bisschen - das gebe ich zu - liebe ich es auch, für Unruhe zu sorgen.


Premiere am 9. Dezember um 19.30 Uhr auf der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters (ausverkauft).

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