"Gast im ehemals eigenen Haus": Neustart bei der Lach- und Schießgesellschaft in München

Das Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft spielt nun im Silbersaal des Deutschen Theaters in München.
Thomas Becker |
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Frank Klötgen, Sebastian Fritz und Christl Sittenauer (von links) sind das Ensemble der Lach- und Schieß.
Frank Klötgen, Sebastian Fritz und Christl Sittenauer (von links) sind das Ensemble der Lach- und Schieß. © Florian Heine

Am Schluss bekommt einer auch noch Corona, klar. Dieses Trio lässt einfach nichts aus, seit Jahren schon. Kaum ist der Patient negativ getestet, steht er auch schon wieder auf der Bühne, letzte Proben für die Premiere am Sonntag. Dass da nebenan im großen Saal, nur eine Tür weiter, "Pasion de Baile - der große Kuba-Ball" mit mehreren Hundert Salsatänzern gefeiert wird? Auch schon wurscht.

Es gibt wohl nichts Absurdes, was dieses Trio in den letzten dreieinhalb Jahren nicht erlebt hat. Umso größer die Vorfreude, wenn es im Silbersaal des Deutschen Theaters endlich heißt: "Vorhang auf für Abgespeckt, das neue Programm des Ensembles der Münchner Lach- und Schießgesellschaft!"

Da stellen sich ein paar Fragen. Die Lach- und Schieß: Gibt's die noch? Ist die nicht insolvent? Aus, zu, verschlossen, weg vom Fenster, in den Orkus gewirtschaftet? Ja, ist sie, seit spätestens einem Jahr, als die Gesellschafter Bruno Jonas und Leila Nöth nach einem denkwürdigen Katastrophenjahr dem Totengräber-Trauerspiel die Krone aufsetzten – sorry für das schiefe Bild, aber alle anderen Formulierungen, die einem auf der Zunge liegen, sind womöglich justitiabel.

Lach- und Schießgesellschaft in München: Der Laden wird renoviert

Den im deutschsprachigen Raum weltberühmten "Laden", wie Dieter Hildebrandt & Co. die Bühne stets nannten, übernahmen im Juli 2023 die neuen Geschäftsführer Christian Schultz und Ulrich Spandau. Besser gesagt: Sie vereinbarten sie mit dem neuen Pächter, einem dem Vernehmen nach in Sachen Chicken Wings sehr bewanderten Gastronomen, eine Nutzungsvereinbarung.

Ein beleuchtetes Schild markiert den Eingang zur Lach- und Schießgesellschaft.
Ein beleuchtetes Schild markiert den Eingang zur Lach- und Schießgesellschaft. © picture alliance/dpa

Durch die Insolvenz war auch die Konzession weg. Seitdem wird in der Ursulastraße renoviert: entkernt, Küche raus, Brand- und Schallschutzdecke rein, vier Fenster wurden freigelegt, die Bühne auf das Podest rechts vom Eingang transferiert. Tabula rasa.

Geschäftsführer Schultz, ein ehemaliger BR-Redakteur, sagt: "Die Lach- und Schieß ist jetzt Gast im ehemals eigenen Haus." Wer wann und an wie vielen Abenden in diesem dann schon zur Mittagszeit geöffneten Lokal die Kabarettbühne betreten wird? Tja. Für die allseits herbeigesehnte Wiedereröffnung "stecken wir die Ziellinie immer ein Stück weiter nach hinten", sagt Schultz. Vor der Wiesn werde das nichts werden.

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Um die Lach- und Schieß in München gab es endlose Streitigkeiten

Das wären dann ziemlich genau drei verlorene Jahre, seit die Gesellschafter und der Geschäftsführer Till Hofmann "in beidseitigem Einvernehmen" von Bord ging, wie es heißt, wenn nur noch die Anwälte miteinander reden.

Eine wie auch immer geartete Bühne wird es also weiterhin dort geben. Dass es aber immer noch das aus Christl Sittenauer, Frank Klötgen und Sebastian Fritz bestehende Ensemble gibt, grenzt an ein Wunder. Gecastet hatte Hofmann die Drei im Frühjahr 2020. Zunächst überstanden sie die Pandemie, dann den Geschäftsführer Stefan Hanitzsch, der sich schließlich mit den Mit-Gesellschaftern Nöth und Jonas final zerstritt. Ein Verhau sondersgleichen, der darin gipfelte, dass an einem Abend die Künstler nicht nur auf der Bühne standen, sondern auch noch den Gastro-Part übernahmen.

Christian Schultz (links, mit Ulrich Spandau) ist Geschäftsführer der Lach- und Schießgesellschaft.
Christian Schultz (links, mit Ulrich Spandau) ist Geschäftsführer der Lach- und Schießgesellschaft. © picture alliance/dpa

Nun also nach "Aufgestaut" ein zweites gemeinsames Werk, allen Unbillen zum Trotz, vielleicht mit dem Titel des ersten Ensemble-Programms von 1956 im Sinn: "Denn sie müssen nicht, was sie tun". Regisseur Sven Kemmler sagt über die Truppe: "Das einzige, was in Sachen Lach- und Schieß in der Zeit gleichgeblieben ist." Klötgen fragt sich, "warum wir bloß diese Sturheit haben, das immer noch weiterzuführen" und antwortet sich gleich selbst: "Ich glaube, wir haben uns ganz gut zusammengefunden. Nicht aus Verpflichtung dem Namen gegenüber, sondern weil wir es wissen wollten: dass wir noch ein zweites Stück hinkriegen können. Im letzten Jahr ging es in unseren Treffen mehr um Organisatorisches wie ‚Hast du was vom Insolvenzverwalter gehört?' Da haben wir viel nicht-kreative Zeit miteinander verbracht."

Ein Abend über Streitkultur

Das war diesmal anders, findet Regisseur Kemmler: "Man merkt, dass ihr schon eine Weile miteinander unterwegs wart. Jeder hat Szenen geschrieben, die dann zusammengesteckt wurden – und das ging diesmal vieler schneller und organischer." Sebastian Fritz fügt an: "Gut, dass es den Schiedsrichter Kemmler gibt. Denn es gibt schon Dinge, bei denen wir drei zu keiner Entscheidung kommen, gar nicht mal selten sogar."

Im Stück geht es um Streitkultur und die Spaltung der Gesellschaft, um zwei Lager: oben der Wellnessbereich samt genderfreien Entspannungsräumen, Parteien-Whirlpools und 90er-Jahre-Aufguss zum Wohlfühlen, unten die Leute, die sich Sorgen machen und wegen des Spas um ihre Existenz fürchten. Wie beim ersten Stück geschieht dies "im Rahmen einer Geschichte, in Bildern, nicht in Lektionen", sagt Kemmler. Da ist Gereimtes und Gesungenes, Absurdes und Philosophisches, Sperriges und Albernes. Politisch ist das alles schon, kommt aber weitgehend ohne Politiker-Bashing aus.

Sven Kemmler inszeniert das neue Programm.
Sven Kemmler inszeniert das neue Programm. © imago images/Marc Schüler

Bis Mai spielt das Trio neun Mal im Silbersaal, dazwischen geht es ab Ende Januar auf Tournee, bis nach Hamburg. Christl Sittenauer sieht in dem 1896 errichteten Silbersaal, dem einzig erhaltenen Raum des 1943 im Krieg zerstörten Theaters, eine "sehr gute Ausweich-Location. Wir sind eh nicht so ladenverbunden wie andere Ensembles in den Jahren zuvor, weil es bei uns ja schon nicht im Laden losging, sondern Open Air in der Seidlvilla. Der Laden war nie unsere Geburtsstätte".

Ein Hauch von Residenz

Nur rund ein Drittel der Auftritte habe man im Laden gespielt, pflichtet Klötgen bei, der von der neuen Spielstätte sehr angetan ist: "Ich kannte den Silbersaal vorher gar nicht, und als ich reinkam, war ich sehr überrascht. Toll, dass wir hier spielen können!"

Der Silbersaal des Deutschen Theaters, hier mit dem Quadro Nuevo.
Der Silbersaal des Deutschen Theaters, hier mit dem Quadro Nuevo. © IMAGO/Lindenthaler

Auch Kemmler freut sich: "Eine schöne Mischung aus staatsmännisch und intim. Es hört zum Glück kurz vor der Residenz auf und bringt noch so einen Hauch Kleinkunst mit rein. Es steht kein Stempel drauf. Auf einer anderen Kabarettbühne wäre man zu Besuch. Hier besteht zumindest die Möglichkeit, es sich ein Stück weit zu eigen zu machen. Ein Lach- und Schieß-Programm war schon immer wie ein Monument, vollkommen unabhängig vom Inhalt."

Der Vorverkauf laufe gut, berichtet Geschäftsführer Schultz, der neben dem Ensemble auch weitere Künstler im Silbersaal veranstaltet, Lucy van Kuhl und Marco Tschirpke zum Beispiel. Sein Blick geht schon bis 2026, wenn die Lach- und Schieß 70-Jähriges feiert, womöglich dann in einer Hühnerbraterei. "Die Marke ist schon eine Wucht", sagt Schultz, auch deshalb peilt er wieder mehr TV-Präsenz an, will das Programm aufzeichnen lassen und mit dem BR das alte Format "Schimpf vor 12" wiederbeleben: "Ein Plätzchen für uns sollte im BR schon frei sein. Wir gehören da einfach auch hin."


Premiere am Sonntag, 21. Januar, 20 Uhr, im Silbersaal des Deutschen Theaters, Schwanthalerstraße 13, Einlass: 18.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 23. und 30. Januar, 6. und 20. Februar, 2. und 9. April, 26. Juni. Infos und Karten unter lachundschiess.de

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