"Die Rückkehr der Delphine" im Deutschen Theater: Grob gehauene Schauspielerei
München - "Könnte mir jemand vom Delphin helfen?" haucht Frankreichs Königin nach dem Ritt auf den freundlichen Zahnwalen aus der Ägäis an die Theresienwiese, die nach einer Intervention von Gott Poseidon Deutschlands südlichster Meereshafen ist.
Die Reisegefährten der in München geborenen Isabeau de Bavière (1370 - 1430), die als 13-Jährige mit dem französischen König Karl VI. verheiratet wurde, sind Erika Mann (1905 - 1969) und Heinrich Heine (1797 - 1856). Wer jetzt die Frage "Hä?" stellt, kennt das Werk des Autors, Regisseurs und auch Opernsängers Stefan Kastner offenbar nicht.
Bisher waren seine großzügig Zeiten und Räume der europäischen Geschichte im München von heute kristallisierenden Theaterunternehmungen zwischen Dada und Karl Valentin vor allem in der schmucklosen Halle des früheren Schwere Reiter oder in der charmanten Enge des Hofspielhauses zu sehen. Kastners jüngster Streich "Die Rückkehr der Delphine" - die Old-School-Schreibweise mit p und h gehört wohl zum Konzept - wird im barockisierenden Prunk des Silbersaals des Deutschen Theaters gezeigt.
Wenn die Bavaria die Ruhmeshalle personell umbesetzt
Um die Handlung völlig unzureichend zusammenzufassen: Bavaria (Michaela May), die Patronin der Bayern, will anlässlich ihres 1500-jährigen Dienstjubiläums personelle Änderungen in der Ruhmeshalle vornehmen.
Rudolf Diesel, Erfinder des nach ihm benannten Motors, der Physiker Georg Ohm und der Bierkönig Joseph Pschorr sollen raus, ihre Hoheit Isabeau (Susanne Schroeder), Frau Mann (Isabel Kott) und Herr Heine (Matthias Ransberger) sollen rein. Um das leibliche Wohl der illustren Gäste mit Apfelkuchen und Schlagsahne kümmern sich Bavarias Dienerin (Inge Rassaerts) und der Hausmeister, der Herr Voglsamer (Rainer Haustein).
In einer Parallelhandlung des "Theaterstücks mit Film" sucht der Ex-Bundestrainer Jogi Löw (Christoph Theussl) den Weg nach Burgund. Zwischendurch spielt er Fußball mit den Jungs vom FC Sendling 1705 (Mitglieder des Tölzer Knabenchors), die seit über 300 Jahren die Opfer der Sendlinger Mordnacht mit geistlichen Gesängen erbauen.
Stefan Kastner stellt auf magische Weise so etwas wie erzählerische Kontinuität her
Als blinde Passagiere des Delphinen-Ritts tauchen auch noch der babylonische König Nebukadnezar II. (Dominik Wilgenbus) am Bavariaring auf, der nur mal ein gescheites Bier trinken will, Andreas Baader (Luis Goodwin), der endlich den Prinzen von Homburg in der Theatergruppe seines Münchner Gymnasiums spielen will, und Gudrun Ensslin (Lena Sammüller), die eifersüchtig auf Andys alte Lehrerin (Inge Dechamps) ist.
Wie Stefan Kastner diesem Verhau aus historischen Abläufen mit schlauen Verweisen über die Ebenen hinweg Zusammenhänge entlockt und auf magische Weise tatsächlich so etwas wie erzählerische Kontinuität herstellt - und das so amüsant wie selten - gehört zu seinen Geheimnissen.
Großes Kino mit grob gehauener Schauspielerei
Mit grob gehauener Schauspielerei, die zu Kastners Geschäftsmodell gehört, gibt es zwischen der spießigen Wohnwelt aus der Zeit, als München Olympia-Stadt wurde (Bühne: Xaver Unterholzner), großes Kino zu sehen.
In hollywoodesken Bildern tummeln sich Delphine vor der Bavaria-Statue. Das Strand-Idyll inspiriert schließlich die Brauerei-Queen Frau Dr. Keferloher zu touristischen Visionen von einem Hotspot der Kreuzfahrtschiffe für eine Zukunft jenseits von Venedig. Aus der Rückkehr des Oktoberfests wird dann nichts mehr werden.
Deutsches Theater, Silbersaal, wieder am 24. September, 20 Uhr, Karten unter Telefon 5234444