Die Iphigenie von Goethe im Innenhof der Glyptothek
Orest lässt sich vom Idealismus seiner Schwester allmählich anstecken und muss für die Begegnung mit dem König schnell sein Schwert loswerden. "Halten Sie mal" spricht der Veteran des Kriegs um Troja eine Zuschauerin an und überlässt ihr sein funkelndes Schwert.
Wir sind kurz vor einem Happy End, was in einer antiken Tragödie selten geschieht: Orest kann seine Schwester Iphigenie, die zehn Jahre lang Thoas, dem Herrscher über die Taurer, als Priesterin diente, zurück ins heimatliche Griechenland bringen. Was zuvor geschah, war im vorigen Jahr in einer Bearbeitung der "Iphigenie in Aulis" im Innenhof der Glyptothek schon zu erleben. Nur durch den Eingriff von Athene überlebte den Plan Iphigenies Vater Agamemnon, seine Tochter für besseres Wetter und mehr Kriegsglück zu opfern.
Die Schauspielerin Tomma Galonska und Regisseur Alex Novak hatten aus verschiedenen Übersetzungen des Stücks von Euripides eine sehr eigene Fassung zu einem energiereichen Schauspielfutter für eine Solodarstellerin hergestellt.
Auf Goethe ist textlich Verlass
Sven Schöcker verlässt sich dieses Jahr in der Fortsetzung, die von Iphigenies weiterem Leben auf Tauris erzählt, ganz auf den Text von Johann Wolfgang von Goethe.

Seine Inszenierung ist mit "Goethes Iphigenie" betitelt und präsentiert die klassische Dichtung in der klassizistischen Architektur der Glyptothek und ihrer herausfordernden Akustik mit ironiefreier Strenge. Lediglich Sebastian Krawczinski zieht als jovialer Arkas, der Diener des Thoas, und als Orest mit seiner vom Trauma als Rächer des Tods seines Vaters und Mörder seiner Mutter erschütterten Männlichkeit auch farbigere Register.
Alexander Wagner ist ein sympathischer Pylades, Orests Freund und Mitstreiter, sowie der väterlich autoritärer Thoas, der sich zunehmend fordernd wünscht, die geheimnisvolle Frau, der er einst Asyl gewährte, zur Gattin zu machen. Julia Gröbl, die auch als Helena im "Sommernachtstraum" beim Festival am Nymphenburger Schloss zu sehen ist, ist eine starke Titelheldin.
Seelische Griechenlandsuche
Das "Land der Griechen mit der Seele suchend" und zum elegischen Sound des Saxophonisten Götz Grünberg verteidigt Iphigenie ihren friedensbewegten Kampf für einen Humanismus gegen die Allmacht der orakelnden Göttinnen und Götter, die Auswirkungen der blutrünstigen Familiengeschichte und nicht zuletzt den Machismo der Männer ebenso zart wie entschlossen.
Sven Schöcker verzichtet zwar auf jede Aktualisierung, aber in Zeiten wie diesen erscheint die fast 250 Jahre alte Utopie des Herrn von Goethe ein interessanter Gedanke zu sein.
Innenhof der Glyptothek, Königsplatz, 27. Juli, 2. bis 6., 12. bis 14., 22. bis 25., 30. August bis 14. September, 20 Uhr, Karten unter % 54818181
- Themen: